Gedenktag Novemberpogrom in Mettmann und Wülfrath Gegen das Vergessen
Mettmann/Wülfrath · Mit verschiedenen Aktionen in den Städten erinnerten Bürger an die Nacht vom 9. zum 10. November 1938, in der ein systematisch vorbereiteter Vernichtungsfeldzug der Nationalsozialisten gegen die jüdische Bevölkerung mit dem Pogrom der sogenannten Reichskristallnacht einen ersten schrecklichen Höhepunkt erreichte.
In Mettmann erinnerten Oberstufenschüler des Heine-Gymnasiums am Koburg-Mahnmal vor der evangelischen Kirche an genau jene Nacht, in der die Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte und Wohnungen geplündert und verwüstet, Menschen verschleppt oder ermordet wurden. Zusammen mit ihrem Geschichtslehrer hatten sie dazu das von Rita Thalmann und Emmanuel Feinermann publizierte Buch „Die Kristallnacht“ studiert, um daraus eindrucksvoll an die Geschehnisse jener Tage zu erinnern.
Ein Zeichen gegen
Unterdrückung und Ausgrenzung
So wurde deutlich, mit welcher Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit Deutsche gegen ihre jüdischen Mitbürger vorgingen. Nüchtern und sachlich wurden die Ereignisse geschildert, die auf Zeugenaussagen basieren. Erschütternd war nachzuempfinden, welche Hybris und Menschenverachtung sich beispielsweise in der Sprache der damals verantwortlichen deutschen Beamten fand.
Mit ihrem Beitrag wollten die Gymnasiasten nicht nur erinnern. Diese Art von Geschichte lässt sich nicht „entsorgen“, diese Vergangenheit soll sensibilisieren, sich mutig und mit Zivilcourage gegen Unterdrückung und Ausgrenzung zu positionieren.
Auch die ältere Generation war an dem Tag in der City vertreten – und zwar an acht Orten, an 14 Stolpersteinen in Erinnerung an die Getöteten, Misshandelten und Verschleppten der Nazis. Drei „Omas gegen Rechts“ waren mit Reinigungsschwämmen zur Stelle. Zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht wurden in Mettmann die ins Pflaster eingelassenen Stolpersteine vom Schmutz befreit und aufpoliert. Im Sinne einer stets sichtbaren Erinnerungskultur an die Nazi-Diktatur und Nazi-Verbrechen.
„Wir haben für diese Arbeit zu dritt rund drei Stunden lang gebraucht“, berichtet Heike Linnert. Seit zehn Jahren sind die „Omas gegen Rechts“ unterwegs, um den Grauschleier des Alltags von den Stolpersteinen zu entfernen. „Wir versuchen in jedem Jahr ein anderes Putzmittel“, berichtet Heike Linnert. Der in diesem Jahr eingesetzte Putzschwamm erwies sich als sehr wirkungsvoll. An die vor einigen Jahren von einer Pfarrerin gespendeten Trompetenpaste kam der Schwamm allerdings nicht heran, stellten die Expertinnen fest.
Zuspruch für die
„Omas gegen Rechts“
Bei ihrer Arbeit in der Stadt bekamen sie jede Menge Zuspruch. Autofahrer hoben zustimmend den Daumen. Von Passanten gab es freundliche Worte für die am Boden arbeitenden Omas. An der Römer Straße 18 erinnert ein Stolperstein an das Schicksal der Bibelforscherin Zeugin Jehovas, Johanne Gesink. Sie wurde 1936 zunächst nach Holland ausgewiesen, 1940 verhaftet und nach Auschwitz transportiert. 1945 starb sie bei einem Fußmarsch nach Bergen-Belsen an Typhus.
„Dort kam ein Nachbar zu uns auf den Bürgersteig und berichtete jede Menge Details – in welchem Stockwerk Johanne Gesink gewohnt hat – und wie die Denunziation durch missgünstige Nachbarn zur Ausweisung geführt hat. Das war sehr berührend“, sagt Heike Linnert. In negativer Erinnerung bleibt die Begegnung mit einem Fußgänger, der die drei Frauen beschimpfte. Sein Opa sei auch im Weltkrieg umgekommen – es sei nicht einzusehen, warum für Juden immer eine Extrawurst gebraten werden müsse. „Diese antisemitische Äußerung war am Donnerstag aber die Ausnahme“, sagt Heike Linnert.