Waschbären erobern Neandertal
Wie die Nilgänse aus Afrika haben auch die vermeintlich putzigen Waschbären nichts in der Region zu suchen. Und doch werden sie wohl bald als heimisch gelten.
Kreis Mettmann. Sie fressen beinahe alles, stellen kaum Ansprüche an ihre Umgebung und passen sich extrem rasch an. Waschbären haben sich an der Düssel im Neandertal häuslich eingerichtet. Ursprünglich stammen sie aus Nord- und Mittelamerika. Pelztierzüchter brachten sie nach Europa. Bis 1954 standen Waschbären hierzulande gar unter Naturschutz und wurden am nordhessischen Edersee eine Weile bewusst ausgewildert. Dort müssen sich offenbar wanderlustige Vertreter der Art in die Büsche geschlagen haben.
„In Höhe der Winkelsmühle kann man Waschbären im Neandertal manchmal beobachten“, sagt Ralph Fierenkothen, Leiter des Hegerings Mettmann. Wie Rost-, Nil- und Kanadagänse oder die zur Gruppe der Bisams gehören und vegetarisch lebenden Nutrias gehören Waschbären zu den tierisch erfolgreichen Einwanderern. Biologen sprechen von den Neozoen-Tierarten aus aller Welt, die sich erfolgreich in der Natur in der Region angesiedelt haben.
Für gestandene Naturschützer sind solche Arten mitunter eine harte Prüfung, wie Birgit Königs, Sprecherin des Naturschutzbundes (Nabu) NRW sagt. Auch sie nimmt den Waschbären als Beispiel. Normalerweise störe der nicht weiter. Doch wenn er die Nester bedrohter Wasservogelarten plündert, dann verlieren auch gestandene Tierschützer die Kontenance.
Ähnlich geht es den zahlenden Sonnenanbetern am Unterbacher See. Denn die dort in großer Zahl lebenden Kanadagänse betrachten die kurz gemähten und stets gepflegten Liegewiesen als eine Art Ballermann fürs eingewanderte Federvieh — ein Paradies für schnatternde Watschler. Selbst eine Ersatzfläche, die die Seeverwaltung den Gänsen bereitstellte, um deren Hinterlassenschaften aus den Bade-Arealen am See fernzuhalten, wurde verschmäht. Offenbar störten Spaziergänger und Hunde die Muße der Kanadagänse.
Vor allem in solchen Konfliktfällen mit dem erholungsuchenden oder bäuerlich wirtschaftenden Mensch ergeht der Ruf an die Jägerschaft. Immerhin stehen allein hinter dem Mettmanner Hegering-Leiter Fierenkothen 102 Menschen mit der Lizenz, den Langwaffen und den Kenntnissen zum Jagen. Da müsste es doch wohl möglich sein, nichtheimisches Getier via Kimme und Korn zu dezimieren.
Fierenkothen antwortet eher vorsichtig. Denn seiner Erfahrung nach gibt es für jeden ergrimmten Ruf, die vermeintlichen Schädlinge doch endlich zu dezimieren, wenigstens einen Gegenruf: „Ach wie niedlich!“ Schon stehen die Jäger selbst im Fadenkreuz der Kritik, statt ordnend eingreifen zu können.
Die Experten des in Bonn beheimateten Bundesamtes für Naturschutz raten deshalb zu Gelassenheit. 22 Säugetiere und 163 Vogelarten werden derzeit zu den Neozoen gezählt. Doch nur acht Säugetierarten — darunter auch der Waschbär — und 15 Vogelarten gelten als etabliert. Und werden irgendwann als heimisch gelten. Denn Birgit Königs vom Nabu sagt: „Die Natur ist immer in Bewegung.“