Altenheim mit spannender Historie
Wo heute das Seniorenheim Auf der Aue steht, gab es im 19. Jahrhundert ein Erholungsheim für Diakonissen.
Ratingen. Der Name „Salem“ kommt aus dem Hebräischen und ist erst einmal ein Ortsname, der an einigen Stellen im Tanach, der hebräischen Bibel, als Sitz des Königs Melchisedek erscheint. Gewöhnlich wird er als Name der Stadt Jerusalem interpretiert. In den USA gibt es rund 30 Gemeinden, die so heißen. Und in Ratingen ein Seniorenzentrum an der Straße Auf der Aue. Doch an dessen Stelle gab es unter demselben Namen früher etwas ganz anderes: ein Erholungsheim für Diakonissen.
Früher — das war die Mitte des 19. Jahrhunderts, als auf einem Hektar Land ein Backsteinbau mit Nebengelassen entstand, umgeben von einem großen Garten für Obst, Gemüse und Blumen. Und alles 1911 bei einer Jubiläumsfeier unter segensreichem Spruch besungen wurde: „Auch Diakonissen haben, ob sie nun unter Kranken, Kindern oder Armen arbeiten, leibliche Bedürfnisse wie andere Menschen und müssen ebenso gut wie diese essen, trinken und schlafen.“
Sie mussten vor allem schuften — bis zum Umfallen. Wenngleich sie nicht die Anforderungen eigener Haushaltungen zu erfüllen und immerhin allesamt einen Beruf erlernt hatten und damit den meisten Ehefrauen überlegen waren. Doch ihr Einsatz als Gemeinde- oder Krankenschwester führte nicht selten zu dem, was heutzutage als Burnout behandelt wird.
Da wurde zunächst nahe dem Mutterhaus in Kaiserswerth ein „Feierabendhaus“ errichtet, das allerdings bei weitem nicht die Ruhe bot, die erschöpfte Schwestern brauchten. Der damalige Anstaltsarzt empfahl einen stillen Aufenthaltsort, an dem geschwächte Schwestern Tage und Wochen verweilen konnten, um Berg- und Waldluft zu genießen. Der fand sich nicht in den Alpen, der lag in Ratingen. Die Einweihung war 1877. Das hatte nicht zuletzt den Vorteil, dass bei Hochwasser rund ums Kaiserswerther Mutterhaus die Schwestern in der Kutsche in einer zweistündigen Tour nach Ratingen gebracht werden konnten. Im Laufe der Zeit wurden die ursprünglichen Einrichtungen durch Land-Ankäufe so erweitert, dass letztlich, von einer drei Millionen Mark-Spende des Industriellen Friedrich Flick befeuert, das heutige Zentrum in Angriff genommen werden konnte.
Vom Backsteinbau steht jetzt nichts mehr, von den Erinnerungen an die Diakonissen, die sich hier erholen sollten, weiß allerdings Helmut Scheumann, der letzte Hausmeister, noch eine Menge zu erzählen. Er wohnte, wie bis heute, auf dem Gelände und war jederzeit für kleine und größere Katastrophen zu erreichen — ob nun ein Möbel zusammengebrochen, eine Glühbirne kaputt oder sonst etwas nicht in Ordnung war. Und er chauffierte die Diakonissen im Renault 4 durch die Gegend.
Claudia Witte, Diakonie-Bereichsleiterin
Im jetzigen Haus Salem gibt es einen ganzen Korridor mit Fotos, von denen er die meisten gemacht hat, und mit etlichen Erinnerungsstücken. Da gibt es die Tracht und Arzneiflaschen, medizinisches Gerät und ein kleines Sortiment der Hauben, die von den Diakonissen getragen worden waren.
Andrea Malik, als Sozialpädagogin auch hier im Haus tätig, kann sich noch daran erinnern, wie auf die Batisthaube mit Plissee-Abschluss und großer Schleife unterm Kinn eine andere folgte, die auch am Hals gebunden war, aber knallhart gestärkt war und sozusagen „betonierte“ Falten am Hinterkopf hatte, später von einer eher simplen, aber auch stocksteifen abgelöst wurde, die, mit Nadeln und Klammern befestigt, am sichersten über einem Haarknoten thronte.
Auch die Kleidertracht wechselte. Aus dem einst bevorzugten blauen Stoff mit kleinen Punkten sollen heutzutage wieder Blusen angefertigt werden. Diakonie-Bereichsleiterin Claudia Witte erinnert sich noch an eine große Zahl von Diakonissen, an ihren klaglosen Einsatz und ihre liebenswerten Eigenheiten. „Früher konnte man sie an ihrer Tracht erkennen, was heute vorbei ist,“ sagt sie. „Aber sie sind immer noch unter uns, und das vor allem mit ihrer geistigen Einstellung.“