Der gefühlte Leerstand in der City ist hoch
Freie Ladenlokale sind in der Innenstadt immer häufiger zu beobachten. Das hat zahlreiche Ursachen: Konkurrenzdruck, hohe Mieten oder enge Vorgaben durch die Stadt beispielsweise.
Ratingen. „Alles muss raus!“ — An solche Schilder in den Schaufenstern der City müssen sich die Dumeklemmer gewöhnen. In der Bechemer Straße macht Strauss bald dicht, ein paar Meter weiter ist Räumungsverkauf im Musikgeschäft, das Küchenstudio wurde ebenfalls aufgegeben. Die Ursachen für den Leerstand sind vielfältig: Konkurrenzdruck auf der grünen Wiese, hohe Mieten, enge Vorgaben durch die Stadt und nicht zuletzt der Wettbewerb im Internet, das von vielen Kaufleuten als Verkaufsplattform immer noch nicht entdeckt wurde. Das zeigt beispielsweise die Nutzung der Ratingen-App. Die Möglichkeit, darüber auf Sonderaktionen aufmerksam zu machen, wird kaum genutzt: Gestern gab es drei Angebote von zwei Bietern.
Manuela Kessler, Vorsitzende des City-Kaufs: „Der gefühlte Leerstand ist deutlich höher als der tatsächliche Leerstand, das wurde in den jüngsten Vorträgen und Studien deutlich. Das größte Sorgenkind aus Händlersicht ist natürlich das Hertie-Haus, das eigentliche Tor der Stadt.“ Kessler: „Generell haben wir es in Ratingen mit einer gemischten Struktur aus Vermietern zu tun, daher kann man hier nicht pauschal sagen, dass die Vermieter an etwaigen Leerständen schuld seien.“ Vielen sei durchaus bewusst, dass der Mietzins aus den 80ern nicht mehr zu halten ist, da sich die Strukturen verändert haben, die Menschen mobiler geworden und die Supermärkte und Shoppingcenter auf der grünen Wiese immer größer und komfortabler geworden sind.
Zudem habe selbst der engagierte Vermieter mit zunehmend anderen Problemen zu kämpfen: „Gesetzt dem Fall, er möchte sein Ladenlokal heutigen Standards anpassen, es beispielsweise barrierefrei und modern gestalten, um einen Mieter langfristig an das Ladenlokal zu binden. So hat dieser Vermieter sich plötzlich mit Werbe- und Gestaltungssatzungen und mit Vorgaben bezüglich des Denkmalschutzes zu befassen.“ Natürlich gibt es auch in Ratingen die ewig Gestrigen, die den Wandel des Handels nicht verstanden hätten: „Das sind diejenigen, die trotz vorgelegter Umsatzzahlen nicht mit ihren Mietern sprechen, sondern der festen Überzeugung sind, dass es stetig neue solvente Mieter geben wird. Das ist jedoch ein Trugschluss, der sich zumeist irgendwann bemerkbar macht.“
Ein weiterer Faktor sei auch die Kaufmannschaft selbst. Institutionen wie die lokalen Werbegemeinschaften und Angebote wie die Ratingen-App müssten genutzt und bespielt werden. Tino Schmitz-Audek, Immobilienmakler, sieht auch Vermieter in der Pflicht: In der City würden Quadratmeterpreise zwischen zehn und 60 Euro verlangt: „Dazu kommt das Personal.“ Das müsse man erst erwirtschaften. Vermietern, die neue Pächter suchten, weil der aktuelle Pächter Probleme habe, rate er meist, erstmal über die Höhe der Miete zu reden. Denn ein Leerstand koste mehr Geld. Die Ratinger Bürokratie hält er ebenfalls für sehr hinderlich: Die Wartezeiten auf Baugenehmigungen seien zu lange, stets werde auf mangelendes Personal hingewiesen. Auch das koste Geld. Schmitz-Audek sieht die Gefahr, dass die Stadt den „Branchenmix verliert“.