Eine besondere Siedlung entsteht
In Tiefenbroich bauen mehrere Familien nach einem neuen Modell. Sie haben sich erst kennen gelernt, gemeinsam geplant, dann angefangen. Jetzt wurde Richtfest gefeiert.
Ratingen. Freudige Begrüßungen, herumtobende Kinder, gute Laune — wenn das so weiter geht, dann dürfte das eine herzliche Nachbarschaft werden, die sich da beim Richtfest am Bertramsweg anbahnt. Und das ist auch kein Wunder, denn hier haben nicht einfach neun junge Familien ein Haus gekauft, sondern dies hat eine sogenannte Baugruppe getan. „Das ist ein Vorteil an der Sache, dass sich die Leute schon vor dem ersten Spatenstich kennen und nicht plötzlich wildfremde Menschen Tür an Tür wohnen. Hier haben zum Beispiel alle mit angepackt im Frühjahr, als das Grundstück von Bäumen und Sträuchern befreit werden musste“, erzählt Peter Wilske, der in Lintorf eine Immobilienagentur betreibt und das Projekt eingefädelt hat.
Siegfried Aring, früherer Planungsamtsleiter
Die Mitglieder einer Baugruppe — ein Modell, das bisher vor allem in Städten wie Tübingen und Freiburg vertreten ist — kaufen gemeinsam ein Grundstück und bauen dann auf ihren eigenen Parzellen. Das bedeutet zum Beispiel, dass auch die Nebenkosten für den Grundstückskauf nur einmal gezahlt werden: „In diesem Fall haben alle Familien jeweils rund 23 000 Euro gespart im Vergleich zu einem Einzelkauf“, sagt Wilske.
Ein interessantes Modell, wie auch Siegfried Aring, früher Planungsamtsleiter im Rathaus und heute sachkundiger Bürger der Grünen, findet: „Solche Baugruppen sind sicherlich eine interessante Möglichkeit — gerade in Städten, in denen Grundstücke sehr teuer sind.“
Nachdem Organisator Wilske das Grundstück in Tiefenbroich gefunden hatte, dauerte es nach einigen Aufrufen im Internet gerade einmal acht Wochen, bis er die neuen Familien für die Baugruppe beisammen hatte. Für alle gibt es dabei individuelle Finanzierungspläne.
Interessant ist das Baugruppen-Modell, das am Bertramsweg Premiere in Ratingen gefeiert hat, auch für ein anderes Grundstück, das in der Innenstadt in den kommenden Jahren immense Bedeutung gewinnen wird — auch wenn dort die Zielgruppe eine andere ist. Die alte Feuerwache an der Lintorfer Straße soll barrierefreies Wohnen für Senioren bieten.
Wilske hat dafür extra einen Verein gegründet, um sich für die Bebauung des Grundstücks bewerben zu können: „Wir haben bereits jetzt 23 Interessenten, die dort hin möchten“, sagt er. Zwischen 49 und 82 Jahren seien die Interessenten. Sie würden derzeit fast alle noch Einfamilienhäuser besitzen. „Wenn die dann an die Lintorfer Straße zögen, wären diese Häuser wieder frei, junge Familien könnten sie kaufen. Es findet eine Umschichtung der Gesellschaft statt“, blickt Wilske in die Zukunft. Sein Verein „Senioren WG“ hat bereits 50 Mitglieder.
Während die Pläne für die Lintorfer Straße noch Theorie sind, werden sie in Tiefenbroich Realität — und das aufgrund der Lage in der Einflugschneise auch mit einer optimalen Lärmdämmung.
Das war mit das Erste, was Baufachmann Aring bei seinem Besuch wissen wollte. Und wer einen kurzen Blick auf das Richtfest werfen konnte, der merkte schnell, dass sich diese gute Nachbarschaft auch von den Flugzeugen über den Köpfen nicht beeindrucken lässt.