In jahrzehntelanger Tradition seit 1980 hat die katholische italienische Gemeinde Wuppertals wieder das Karfreitagsgeschehen lebendig werden lassen: mit einer Prozession vom Deweerthschen Garten bis auf die Hardt. Nach Angaben der Polizei haben rund 3000 Menschen an dieser Prozession teilgenommen.
Sieben Kreuzwegstationen konnten sie dabei erleben, die von rund 40 Darstellern aus der Gemeinde in Szene gesetzt wurden: Im Deweerthschen Garten verrät Judas Jesus, der wird festgenommen und verhört. Petrus behauptet, Jesus nicht zu kennen und erkennt wenig später, was er getan hat. Auf dem Laurentiusplatz vor der prächtigen Kulisse der Basilika verurteilt Pontius Pilatus Jesus und wäscht seine Hände in Unschuld. Ab dann muss Jesus-Darsteller Salvatore Morreale die Dornenkrone und das Kreuz über der Schulter tragen. Auch wenn es für die Prozession eine Schmalversion ist, hat er daran sichtbar schwer zu tragen.
Gebete und Lieder
Auf dem Neumarkt begegnet Jesus am Neptunbrunnen erst seiner Mutter Maria, die ihn verzweifelt umarmt, dann Veronika, die ihn nach einem Sturz tröstet und das Gesicht abwischt. Anschließend zeigt sie dem Publikum den Abdruck von Jesu Gesicht in ihrem Tuch. Auf dem Weg vom Neumarkt auf die Hardt hilft Simon von Zyrene Jesus, das Kreuz zu tragen.
Während des gesamten Weges wird Jesus begleitet – von Frauen und Männern in einfachen Gewändern, römischen Soldaten in prachtvollen Uniformen – alle Kostüme sind von Claudia Piccone gefertigt. Ein Trommler führt den Zug an, schlägt einen unheilvollen Rhythmus auf seinem Instrument. Auch das Blasorchester Oberbarmen begleitet den Zug, stimmt immer wieder Lieder an.
Denn die Prozession ist nicht nur Schauspiel, sondern auch Andacht: Es wird gesungen und gebetet, sowohl auf Italienisch als auch auf Deutsch. Der Text in den gespielten Szenen wird auf Italienisch gesprochen, dazu gibt es eine Zusammenfassung auf Deutsch. Jede Szene wird von Mitgliedern der Gemeinde und verschiedenen Geistlichen aufgenommen, um sie zu interpretieren, Gedanken zur Liebe Gottes und seinen Botschaften an die Menschen zu äußern und dann gemeinsam zu beten.
Während der Prozession sind Handys allgegenwärtig. Passanten wollen die ungewohnten Bilder festhalten, an vielen offenen Fenstern stehen Beobachter. Und auch die Teilnehmer der Prozession nutzen immer wieder ihre Mobiltelefone, um die besonderen Momente festzuhalten.

Karfreitagsprozession in Wuppertal
Nach zweieinhalb Stunden gelangt der Zug auf der großen Wiese auf der Hard an. Jesus wird entkleidet und trägt nur noch einen Lendenschurz, wird aufs Kreuz gelegt. Mit schweren Hämmern werden scheinbar die Nägel eingeschlagen – dabei natürlich niemand verletzt, wenn auch etwas Kunstblut fließt. Als letzte Szene beweint Maria ihren toten Sohn, der in ihrem Schoß liegt, jetzt in wärmende Decken gewickelt, damit Jesus-Darsteller Salvatore Morreale nicht länger frieren muss.
„Wunderbar, sehr schön“, findet Rainer Geer (54) die Prozession. Er und seine Familie gehören zur griechisch-orthodoxen Gemeinde, sie haben sich zum ersten Mal die Prozession live angesehen. Denn in diesem Jahr feiere die griechisch-orthodoxe Kirche zur gleichen Zeit Ostern wie die westlichen christlichen Kirchen. Schon öfter dabei gewesen ist Dina Kahl (70), die mit ihrem Mann die Prozession besucht. Sie sei als gläubige Christin dabei, das sei „fast wie eine Andacht“, findet sie. Nicht immer macht sie die ganze Prozession mit, diesmal ist es nur die Station auf der Hardt – auch wenn sie die Kreuzigungsszene immer sehr grausam findet.
„Das ist einfach Tradition“, begründet Silvia Esposto (49) ihre Teilnahme. Als Mitglied der italienischen Gemeinde ist sie mit der Prozession aufgewachsen, ist daher so gut wie immer dabei: „Das gehört irgendwie dazu.“ Mit dabei sind ihre Tochter Lucia (15), für die auch der religiöse Inhalt der Prozession wichtig ist, und ihre Mutter Barbara (74).
Und auch Michele Zimoti (70) und Giuseppe Miniello (73) sind jedes Jahr dabei: „Wir glauben daran“, sagt Michele Zimoti. Sie laufen den gesamten Weg mit – auch wenn es anstrengend ist. Aber für Jesus sei es ja noch viel schwerer. Und: „Gott gibt uns die Kraft dazu.“