Historiker nimmt Mythos des Stadtheiligen unter die Lupe
War der Heilige Suitbertus jemals in Ratingen? Antworten darauf und viele andere Geschichten bietet die neue „Quecke“.
Lintorf. Muss die Stadthalle umbenannt, der Brunnen neben St. Peter und Paul abgebaut, lokale Wurstspezialitäten anders bezeichnet und ein neuer Spitzname für die Stadt gefunden werden? Was ist denn dran an dem ganzen Dumeklemmer-„Gedöns“? Grundlage dafür ist ja die bekannte Legende mit dem Heiligen Suitbertus. Aber kam der Gottesmann, dessen 1300. Todestag in diesem Jahr gefeiert wurde, überhaupt nach Ratingen? Dieser Frage geht Hans Müskens in der druckfrisch erschienenen neuen „Quecke“ der Lintorfer Heimatfreunde nach. Es ist mittlerweile die 83. Ausgabe der „Ratinger und Angerländer Heimatblätter“, diesmal 276 Seiten stark und wie immer durchgehend bebildert.
Die Eheleute Manfred und Monika Buer haben wieder viele Monate Zeit und Energie investiert, um „Die „Quecke“ inhaltlich gehaltvoll zu gestalten und zugleich durch Anzeigen erschwinglich zu lassen: Die pralle Lektüre kostet inzwischen weniger als eine Schachtel Zigaretten: fünf Euro.
Auch wenn Suitbertus das Titelbild ziert und der Auftaktartikel sich mit dem Heiligen beschäftigt, so bildet er keinen Themenschwerpunkt im Heft. Vielmehr bietet „Die Quecke“ den bewährten Mix von Aufsätzen, Abhandlungen, Erinnerungen und Darstellungen aus verschiedensten Lebensbereichen einst und jetzt. So spüren Hannah Eggerath und Helmut Neunzig ausführlich der langen Geschichte der ehemaligen Spee’schen Papiermühle nach, Rudi Steingen porträtiert den Kölner Architekten Lange, der St. Anna entworfen hat.
Heimat- und Familiengeschichte(n), vergessene Firmen, Kuriositäten, aber auch handfeste Historie einerseits, und aktuelle Jubiläen, Personalien, Rezensionen und Rückblicke andererseits. Alles garniert mit etwas Lyrik und einer kräftigen Prise Mundart — das macht die Beliebtheit der „Quecke“ aus.
Spannend zu lesen ist die Geschichte der Ratinger SPD von der Frühindustrialisierung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, die Gunnar-Volkmar Schneider-Hartmann recherchiert hat. Nur noch Alteingesessene können sich an die „Samenzucht und Samenhandlung Paas & Co.“ erinnern, die den Namen Lintorfs mit einer speziellen Buschbohnensorte („Paas’ Lintorfer Frühe“) überall verbreitet. Manfred Buer zeichnet die Geschichte des Bossong-Werkes (später „Tornado) nach, das Auto- und Motorenteile produzierte. Edi Tinschus erinnert sich an seine Arbeit in der Waschmaschinenproduktion bei „Constructa“.
Schloss Linnep und seine Bewohner einst und heute bilden einen weiteren Schwerpunkt im Heft, in dem auch die „Lebensgeschichte“ einer alten Nähmaschine in bestem Platt erzählt wird („Us aul ,Pfaff’“). Apropos Platt: Die Lücke, die Mundartautorin Maria Molitor hinterließ, versuchen andere zu schließen.
Bleibt abschließend die Eingangsfrage: Ob Suitbertus in Ratingen war, lässt sich laut Müskens nicht mit Sicherheit sagen. Umgekehrt könne aber auch niemand behaupten, er sei nicht hier gewesen. Also bleibt alles beim Alten.