Protokoll einer 83-Jährigen Viel Aufwand und wenig Klarheit

Ratingen. · Die 83-jährige Thelse Schliebs aus Ratingen hat Anfang der Woche versucht, für sich und ihren Mann einen Impftermin zu vereinbaren. Hier berichtet sie von ihren Erfahrungen.

Thelse Schliebs aus Ratingen appeliert: „Es geht hier um unser Leben.“

Foto: Achim Blazy (abz)

(jün) Seit Montag können sich Senioren über 80 Jahre für eine Coronaschutzimpfung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein anmelden. Doch die Terminvergabe startete mehr als holprig. Viele kamen weder telefonisch noch online an ihr Ziel. So auch die 83-jährige Ratingerin Thelse Schliebs, die hier von ihren Erlebnissen berichtet.

Am 25. Januar wollte ich unbedingt ganz schnell sein und öffnete um 0.01 Uhr die Internetseite 116117,de. Doch ich war zu schnell, bei der ersten Abfrage nach dem Bundesland musste ich sehen, dass NRW noch nicht gelistet war. Also ab ins Bett und morgens um 8 Uhr erneut versucht. NRW war gelistet und ließ sich auswählen, jedoch nicht unser zuständiges Impfzentrum, ich musste „anderes Impfzentrum“ aktivieren und kam zur Registrierung bei der KV. Es missfiel mir, dass ich hier nur eine Person eintragen konnte, denn ich wollte natürlich einen gemeinsamen Termin mit meinem Mann, aber naja.

Nächster Knackpukt „Mitgliedsnummer“. Ich bin Privatpatient und habe keine KV-Mitgliedsnummer, also eingetragen „privat“. Eingabe ungültig. Eingabe Mitgliedsnummer Debeka, Eingabe ungültig. Vorher hatte ich noch meine Hausnummer, Postleitzahl und Wohnort drei Mal eingeben müssen, weil sie immer wieder aus dem Formular verschwanden, aber letztlich scheiterte meine Registrierung an der Mitgliedsnummer. Also umsteigen aufs Telefon. Von 8.10 bis gegen 13 Uhr habe ich pausenlos, auch beim Frühstücken etc. angerufen und bekam nichts als ein Besetztzeichen. Gegen 13 Uhr meldete sich, oh Wunder!, ein Mensch, aber nur um mir mitzuteilen, dass keine Termine mehr zu vergeben seien, ich möchte es doch „in den nächsten Tagen“ noch einmal versuchen.

Jetzt rief ich die Hilfenummer der KV an und berichtete über den Systemfehler der Internetseite, also die Mitgliedsnummer, denn das Impfzentrum sei doch für alle da und nicht nur für KV-Mitglieder. Die offenbar sehr gestresste Hilfe-Dame sagte mir, es breche derzeit ein Chaos aus, sie könne sich „nicht auch noch darum“ kümmern. Ich rief im Bürgermeisterbüro an in der naiven Meinung, dass eine Fehlermeldung von dort mehr Gehör fände als von mir. Herr Schuster dort war anderer Meinung, man habe dorthin gar keinen Draht.

Gegen Abend versuchte ich dann noch einmal, die Terminvergabe zu erreichen. Eine sehr freundliche Mitarbeiterin meinte, sie wolle es versuchen, aber für mein Impfzentrum gäbe es wohl keine Termine mehr. Ihr Versuch bestätigte das.

Tag 2: Ich fange wieder um 8 Uhr an, eine Stunde kein Erfolg. Ich muss meinen Wocheneinkauf erledigen, ab Mittwoch wird es wesentlich voller in den Supermärkten. Am Nachmittag wieder Versuche, einmal höre ich sogar eine menschliche Stimme, sie sagt aber lediglich an, dass alle Leitungen besetzt seien und man sich später wieder melden solle. Am Abend um 21.45 Uhr starte ich meinen letzten Versuch, und genau um 21.58 Uhr meldet sich eine Stimme und verkündet, dass der nächste freie Mitarbeiter für mich da sei. Ich kann es kaum fassen, aber beim Blick auf die Uhr legt sich meine Euphorie, die werden in zwei Minuten die Leitung abschalten, rufe ich mich zur Ordnung.

Nein, das stimmt nicht, meine Ausdauer wird belohnt, es meldet sich ein Mensch und spricht mit mir! Er sagt mir, dass er gerne versuchen werde, mir die Termine zu verschaffen, dass aber das System komplett marode und fast total zusammengebrochen sei, er wisse nicht, welche Reste noch brauchbar seien. Der Mann klingt total erschöpft und frustriert, aber er versucht es. Es gelingt ihm, meine Daten aufzunehmen und abzuschicken, dann die Daten meines Mannes. Abschließend sagt er, dass er nicht wisse, ob diese Daten jetzt ankämen, das könne er nicht sehen und bekäme auch keine Rückmeldung, „ich kann nur sagen, dass der Kasten hier weg ist“. Ich möge diese Woche warten, ob ich eine Bestätigung bekäme oder nicht, ansonsten müsse ich nächste Woche erneut anrufen.

Fazit: Es ist nicht Schuld der Mitarbeiter, sie sind durchweg freundlich und hilfsbereit. Aber das System ist komplett unbrauchbar, und angesichts der langen Zeitspanne, in der angeblich die Vorarbeiten liefen, ist das nicht nur nicht akzeptabel, es ist eine glatte ­Unverschämtheit.

Ich bin 83 und versorge uns selbst, mein Tag ist ausgelastet damit, und die Zeit zum stundenlangen Telefonieren ist einfach nicht übrig, von der seelischen Anspannung gar nicht zu reden, denn natürlich möchten wir sobald wie möglich geimpft werden, um endlich aus der Isolierung, die wir uns selbst auferlegen müssen, herauszukommen. Ich frage mich ernsthaft, ob ich nicht einfach nochmal anrufe und mir vorsichtshalber noch einen Termin hole, denn „mein“ Helfer klang gar zu pessimistisch, und eventuell verliere ich eine ganze Woche.

Ich bin ehrlich und fair aus Überzeugung, aber hier geht es um unser Leben...