Sozialer Wohnungsbau SPD fordert mehr Sozialwohnungen
Ratingen. · Die Zahl der Sozialwohnungen in Ratingen sinkt. Die SPD fordert die Stadt heraus.
Die Berichterstattung zum Thema Obdachlosigkeit kommt aus Sicht der SPD-Fraktion gerade zur rechten Zeit und sollte laut Fraktionschef Christian Wiglow insbesondere von den Parteien besonders aufmerksam gelesen werden, die meinen, man könne auf den Markt vertrauen und müsse vor Ort nichts tun.
„Und wenn wir weiterhin nichts tun, gibt es bald noch viel mehr Wohnungslose“, betont Wiglow. Die Normalverdienenden von heute werden als von morgen ihre Mieten nicht mehr bezahlen können. Das ist nach Ansicht der SPD erheblicher sozialpolitischer Sprengstoff.
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Ratingen ist nach wie vor besorgniserregend und „spitzt sich immer weiter zu“, wie die Verwaltung selber bestätigt (siehe die Vorlage 192/2018, in der es um die Zahl der untergebrachten Wohnungslosen in Ratingen ging. In dieser wie allen anderen Vorlage der Verwaltung zu diesem Thema ging es um die steigende Zahl der Räumungsklagen und um die immer länger werdende Verweildauer der in Obdachlosenunterkünften untergebrachten Menschen, nicht, weil sie es dort so schön finden, sondern weil bezahlbarer Wohnraum immer knapper wird. Auch steigt die Zahl der Wohnungssuchenden und die Zahl der ausgegebenen Wohnberechtigungsscheine. Die Zahl der Sozialwohnungen geht immer weiter zurück. Von 2017 bis 2025 um weitere knapp 9% auf dann nur noch 2.210 (Ende 2017 waren es 2.419). Angesichts nicht vorhandener Neubautätigkeit in Ratingen eine sehr beunruhigende Tatsache. Wohnbaufördermittel des Kreises fließen nicht ab – zumindest für Ratingen. Aus Sicht der SPD ein unhaltbarer Zustand.
Nachdem in 2018 der Rat die Prüfung, ob die Gründung einer städtischen Wohnungsgesellschaft sinnvoll wäre, abgelehnt hat, wurde zumindest beschlossen zu prüfen, ob und wie das Engagement der Stadt in der Wohnungsgenossenschaft Ratingen – Wogera gesteigert werden könne. Dass bis dato noch nichts dazu von der Verwaltung zu hören war, bedeutet nichts Gutes, denn die Wogera braucht die Stadt Ratingen nicht als Teilhaber – wohl aber als schnelle und serviceorientierte Baugenehmigungsbehörde.
Die SPD ruft die Worte des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki aus Dezember 2017 der konservativen Ratsmehrheit ins Gedächtnis. Der hatte in einer Predigt im Kölner Dom gesagt: „Mehr und mehr Menschen können sich Wohnen in unserem an sich wohlhabenden Land nicht mehr leisten, weil Wohnungen nicht selten ausschließlich zu Renditeobjekten geworden sind und so preiswerter, bezahlbarer Wohnraum fehlt.
Das ist zynisch, im letzten sogar menschenverachtend!“ „Wohnen ist ein Menschenrecht!“, betonte der katholische Geistliche. (Zitat aus WAZ vom 27.12.2017)
„Preisgünstiges und bezahlbares Wohnen ist das große Thema, in dem sich in Ratingen endlich etwas bewegen muss“, so Christian Wiglow, SPD Fraktionsvorsitzender. „Das Thema muss endlich den Stellenwert in der Verwaltung bekommen, den es dringend braucht. Hier ist der Bürgermeister gefordert. Der Bürgermeister muss 2020 liefern.“
Ratingen müsse eine Stadt sein, in der alle Menschen leben können. Daher ist es höchste Zeit, dass sich auch in Ratingen endlich etwas tut. Der Markt alleine wird es nicht richten. Ratingen braucht einen politischen Konsens und die Nutzung aller rechtlichen Möglichkeiten.
. In Ratingen scheint Obdachlosigkeit auf den ersten Blick kein Thema zu sein. Aber auf den zweiten: „Nur, weil sie nicht sofort ersichtlich sind, heißt es nicht, dass die Stadt keine Obdachlosen hat“, sagt Karin Knakowski, Koordinatorin der Wohnungslosenhilfe.
2018 waren 100 Haushalte von Räumungsklage betroffen
Im vergangenen Jahr haben sich 304 Ratinger Haushalte an die Fachberatungsstelle für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen gewendet. Davon waren 100 Haushalte von einer Räumungsklage betroffen. „Vor zwei Jahren waren es nur 56 – die Anzahl hat sich also verdoppelt.“
Um Obdachlosigkeit gar nicht erst entstehen zu lassen, greifen Knakowski und ihre Mitarbeiterinnen ein, wenn es noch nicht zu spät ist. „Früher ging es darum, bereits bestehende Obdachlosigkeit zu beseitigen. Heute steht die Prävention im Fokus.“ Entscheidend ist dafür der Zeitpunkt: Eine Räumungsklage soll gar nicht erst vollzogen werden. Dies habe Vorteile für Mieter und Vermieter, auf die „schnell mal 3000 bis 4000 Euro zukommen“. Eingegriffen werden muss, „bevor die ganze Maschinerie in Gang gesetzt wurde“.
Im Idealfall melden sich Betroffene selber. Die Fachberatungsstelle am Stadionring 19 gilt als erste Anlaufstelle für Menschen, denen der Verlust der eigenen Wohnung droht. Mit Angeboten wie Notschlafplätzen, Duschgelegenheiten und Tagesaufhalten mit Internetzugang werden Betroffene aufgefangen. Dies sei aber meist nicht der Fall. „Viele stecken den Kopf in den Sand, sind mit der Situation überfordert und holen sich keine Hilfe“, erklärt Knakowski. Wichtig sei daher die aufsuchende Arbeit: Droht eine Räumungsklage, versucht das Team von MoWing+, ein Projekt, das seit 2016 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert wird, Betroffene anzutreffen und Hilfe anzubieten. Die Adressen erhalten sie von der Stadt Ratingen, die als Kooperationspartner des Projektes die vom Amtsgericht gesendeten Mitteilungen bevorstehender Räumungsklagen an die Wohnungslosenhilfe weiterleitet.
Bis zu drei Mal am Tag klingeln sie dann an der Haustür. Haben sie Erfolg, sind die potentiell Wohnungslosen meistens erleichtert und lassen sich gerne helfen. „Vorher haben wir versucht, Betroffene erst einmal anzuschreiben, das hat nicht so gut funktioniert. Die aufsuchende Arbeit ist zwar zeitaufwändiger, aber auch sehr viel effektiver“, erklärt Knakowski. In diesem Jahr haben sie von den 100 Haushalten, die von einer Räumungsklage betroffen waren, 50 Wohnungen erhalten können.
Hoch sei auch die Anzahl derer, die ihre postalische Erreichbarkeit bei der Wohnungslosenhilfe angemeldet haben. „Fast 300 Menschen lassen sich ihre Post hierhin schicken“, sagt Krakowsli. Dies zeige die hohe Anzahl „verdeckter Obdachloser“, die bei Freunden, Bekannten oder der Familie unterkommen, aber wohnungslos sind. Viele davon seien Jugendliche, die von Couch zu Couch wandern. 25 Prozent der Obdachlosen in Ratingen sind unter 25, aber auch 70- und 80-Jährige sind betroffen.