Viele Spielhallen müssen schließen
Der neue Glückspielstaatsvertrag legt 350 Meter Mindestabstand fest. Die Stadt sucht Kriterien für die Entscheidung.
Ratingen. Für zwei von fünf Spielhallen in Ratingen heißt es zum 1. Dezember „Rien ne va plus - Nichts geht mehr“. Denn zu diesem Zeitpunkt endet die fünfjährige Übergangsfrist, die die alte, rot-grüne Landesregierung dem neuen Glückspielstaatsvertrag mit auf den Weg gegeben hat. Er verbietet Mehrfachkonzessionen an einem Standort und legt den Mindestabstand zwischen den Münz-Gräbern auf 350 Meter fest.
Während die zuständigen Abteilungen des Ordnungsamtes noch nach Kriterien für die erneute Erteilung einer Spielhallenkonzession suchen, haben sich nach Auskunft eines Stadtsprechers bereits alle Spielhallen-Betreiber nach einer Verlängerung ihrer Glückspielerlaubnis erkundigt und mit Klagen gedroht, falls ihr Betrieb nicht zu den auserwählten gehören sollte. Fest steht derzeit nur eins: Da Verwaltungsgericht und zum Teil Oberverwaltungsgericht bisher im Sinne des neuen Glückspielstaatsvertrags urteilten, werden die Karten noch vor dem Jahresende neu gemischt.
Das Geschäft mit dem schnellen Glück verzeichnete in den zurückliegenden Jahren stark steigende Umsätze. Laut der Datenbank der Landeskoordinierungsstelle Glückspielsucht hat sich der Umsatz der Ratinger Spielhallen seit 1998 mehr als verdreifacht - von 1,1 auf 3,7 Millionen Euro im Jahr 2016. Dabei ist die Zahl der Standorte gleich geblieben: Fünf Spielhallen werden für Ratingen gezählt. Schlichtweg verdoppelt hat sich die Zahl der Geldspielautomaten pro Betrieb. Sie stieg dieser Statistik zufolge von 63 Automaten im Jahr 1998 auf 128 Automaten in 2016 an.
Über die Vergnügungssteuer verdient die Stadt an der Lust am Spiel. Zuletzt wurden die Sätze im Jahr 2015 erhöht, was Mehreinnahmen von 45 000 Euro ins Stadtsäckel spülte. Was für den einzelnen ein großer Geldbetrag ist, rettet den Ratinger Stadthaushalt nicht aus der Schieflage. Die Vergnügungssteuern sind aufgrund der gleichbleibenden Zahl von Spielhallen schlicht zu gering, um als sorgenlos machender Jackpot in die Beratungen des anstehenden Doppelhaushalts eingehen zu können. Doch wenn der Kämmerer zusammenkratzen musste, was geht, nahm er auch die vergleichsweise kleinen Beträge gern. Zumal die Vergnügungssteuer eine der wenigen echten Einnahmequellen der Stadt ist - und für weit weniger Aufsehen und Ärger sorgt als die Hunde- oder die Gewerbesteuer.
Die Glückspielbranche rotiert ob der neuen Zahlen schneller als die Zahlenwalzen in den Daddelkisten. Georg Stecker vom Dachverband Deutsche Automatenwirtschaft in Berlin hofft darauf, dass die neue Landesregierung den Glückspielstaatsvertrag der Vorgänger um eine Härtefallklausel ergänzt. Hier könne Bayern als Vorbild dienen, das ebenfalls Abstandsklauseln definiert hat, von unabhängigen Prüfern zertifizierte Spielhallen aber ausdrücklich davon ausnahm und mit neuen Konzessionen ausstattete. Sein Argument lautet: „Mit einem Abstandsgebot von 350 Metern wird die Glückspielsucht nicht wirklich bekämpft.“ Ein Spielsüchtiger nehme noch ganz andere Wegstrecken in Kauf, um seiner manchmal verhängnisvollen Leidenschaft zu frönen. Zudem verschiebe eine Reduktion der Spielhallen das Problem nur in die Anonymität des Internets. Dort würden Spielsüchtige erst recht abgezockt.