2,2 Millionen Euro für Haltestellen?
Wülfrath müsste bis 2022 alle Busstopps barrierefrei ausbauen. Der Kämmerer würde abgelegene Haltepunkte lieber wegfallen lassen.
Wülfrath. Da rollt etwas auf die Kommunen zu: Das Personenbeförderungsgesetz sieht vor, dass bis 2022 alle Bushaltestellen barrierefrei ausgebaut werden sollen. Wülfrath müsste dafür tief in die Tasche greifen: Geschätzte 2,2 Millionen Euro würde der Ausbau kosten. Bei einer Förderquote von 90 Prozent — und einer Höchstfördersumme pro Haltestelle von rund 30 600 Euro — würden genug Kosten auf die Kommune zukommen, um den Blutdruck des Kämmerers merklich zu erhöhen.
„Ich frage mich, was hier mit den Steuergeldern gemacht wird“, sagte Rainer Ritsche in der jüngsten Sitzung des Ordnungsausschusses. Dabei bezog er sich auf die Zahlen aus der aktuellen Bedarfsanalyse. Die zeigt nämlich, welche Auswirkungen die Forderung nach 100 Prozent Barrierefreiheit in einer Stadt wie Wülfrath mit ländlichen Abschnitten hat. „Dass wir vollständig ausbauen müssen, hat sich ein Bürokrat ausgedacht“, kritisiert Ritsche.
Das Problem: Wülfrath verfügt über 44 Haltestellen, wobei mehr als die Hälfte der Stopps nur wenig frequentiert sind. Das bedeutet, dass dort nach aktuellen Zahlen der Verkehrsbetriebe am Tag nur 50 oder weniger Menschen ein- oder aussteigen. Während Wülfraths beliebteste Haltestelle Stadtmitte mit seinen 2407 Ein- und Aussteigern am Tag schon längst barrierefrei ist, besteht gerade bei den abgelegenen Wartehäuschen Nachholbedarf. Allein in diese Gruppe müsste man 1,2 Millionen Euro investieren.
Da gibt es so idyllische Haltestellen wie „Wolf“ an der Flandersbacher Straße, die von der Linie 747 bedient wird. Hier nehmen statistisch gesehen täglich vier Leute den Bus. Doch die Halts an beiden Seiten barrierefrei auszubauen, würde rund 59 000 Euro kosten. Zwischen Düssel und Wülfrath-Mitte bedient der Bus auch „Siepchesfeld“. Dort hält der Bus im Schnitt für zwei Personen täglich. Den Vogel schießt die Haltestelle Tillmannshöfen (ebenfalls Flandersbacher Straße) ab: Hier darf sich im Schnitt ein (!) Bürger am Tag über die ÖPNV-Anbindung freuen. Auch für den müsste ausgebaut werden — Kostenpunkt 72 000 Euro.
Angesichts dieser Datenlage merkte Ritsche im Ausschuss an: „Man könnte überlegen, gewisse Haltestellen zurückzubauen.“ Der barrierefreie Ausbau sei nämlich gesetzlich verpflichtend, aber: „Niemand zwingt uns, eine Haltestelle aufrecht zu erhalten.“ Rheinbahn-Sprecherin Heike Schuster bestätigte auf WZ-Anfrage: „Grundsätzlich entscheidet die Stadt, welche Haltestellen sie haben möchte. Wir sind da nur beratend tätig.“
So geht es jetzt weiter: Für die Beantragung der Fördergelder geht die Stadt nun erst einmal pauschal davon aus, für 2,2 Millionen Euro auszubauen. Welche Haltestellen am Ende wirklich aus- oder abgebaut werden, soll von der Politik erst in einem zweiten Schritt entschieden werden. Zu der Frage soll es dann auch eine Bürgerbeteiligung geben. Die Richtung war auf der Verwaltungsbank aber schon klar: eine Priorisierung der wichtigen Haltepunkte und kein Ausbau für 2,2 Millionen Euro. Ritsche: „Wer weiß schon, was dann 2022 ist. . .“