Grundschüler lernen richtiges Verhalten bei Übergriffen
Theaterpädagogen führen die Dritt- und Viertklässler der Regenbogenschule spielerisch ans Thema sexueller Missbrauch heran.
Neviges. Bei Thorsten Simon und Meike Angermann von der Theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück darf durchaus mal gelacht werden — auch wenn ihre Geschichten es in sich haben. Einmal trifft etwa ein Mädchen einen Exhibitionisten und flüchtet sich zum Hausmeister. Danach lernt eine junge Protagonistin einen vermeintlich gleichaltrigen Jungen im Chat kennen, der sich beim Treffen im Park als Erwachsener entpuppt. Das Duo spielt seine Szenen vor den Dritt- und Viertklässlern der Regenbogenschule trotzdem mit kindgerechter Leichtigkeit. Zwischen den Szenen arbeiten die Pädagogen das Gesehene immer wieder auf.
Das Mädchen in der Park-Szene könnte Opfer sexuellen Missbrauchs werden. „Wer ist schuld daran?“, fragt Meike Angermann in die Runde. Die Kinder sind sich uneins. „Der Mann“, „das Mädchen“ und „die Eltern“, schätzen die Schüler. „Allein der Täter ist schuld“, erklärt Maike Angermann. Auch wenn das Mädchen seinen Eltern besser von dem Treffen erzählt hätte. Aber: „Das Mädchen darf einen Fehler machen. Aber Missbrauch ist verboten.“
Die Kinder reagieren unterschiedlich auf den Stoff. Die einen schauen gebannt zu, die anderen werden unruhig, ein Mädchen hält sich die Ohren zu. „Ekelig!“, ruft eine Grundschülerin, als das Mädchen im Theaterstück von dem Mann berichtet, der ihr seinen Penis gezeigt hat.
„Wenn Eltern und Lehrer dabei sind, werden wir schon mal gefragt, ob das nicht zu schockierend für Kinder ist“, berichtet Meike Angermann. Doch sie hat bei ihren unzähligen Auftritten an Schulen in NRW die Erfahrung gemacht, dass die Kinder mit dem Stoff gut umgehen können. Sie gibt zu bedenken: „Erwachsene haben bei so etwas andere Bilder im Kopf als Kinder.“
Bei den Auftritten der 50 Schauspiel-Duos, die für das Theater seit 23 Jahren Schulen bereisen, kommt es jedoch auch vor, dass den Zuhörern das Thema zu vertraut ist. Thorsten Simon berichtet: „Es passiert häufig, dass sich betroffene Kinder nach unserem Besuch den Lehrern öffnen.“ Sexueller Missbrauch komme leider häufiger vor, als das viele glauben mögen. Simon weiß: „Statistisch gesehen hat jedes sechste Kind Erfahrungen mit Formen sexuellen Missbrauchs gemacht.“