Die Namen dieser Häuser sprechen Bände

Die Gebäude am Kirchplatz haben nicht nur Hausnummern, sondern tragen blumige Namen, die von ihrer Funktion zeugen.

Wülfrath. Er ist wie ein kleiner Ort der Ruhe mitten im Innenstadt-Geschehen. Wer den Kirchplatz durch eine der kleinen Gassen betritt, lässt den Einkaufstrubel der Wilhelmstraße schnell hinter sich. Zwischen den Fachwerkhäusern, die noch in historischer Weise leicht erhöht auf dem Kalkhügel und rund um die Kirche angeordnet sind, lässt sich erahnen, welche Bedeutung der Platz wohl vor vielen hundert Jahren für die Wülfrather hatte. Die Häuser haben diese Zeit noch miterlebt.

In dieser Form zumindest die Zeit nach dem zweiten großen Dorfbrand 1678. Dem sind fast alle Häuser hier am Platz zum Opfer gefallen. Sie wurden danach auf den Mauerresten wieder aufgebaut. Bei einigen der Häuser haben die Keller den Brand überstanden und sind daher noch älter, als die eigentlichen Häuser. Beim Wiederaufbau versuchten die Menschen, etwas dazuzulernen und die nächste Brand-Katastrophe zu vermeiden: Zwischen den Gebäuden wurde so zum Beispiel etwas Platz gelassen — Brandgassen, die verhindern sollten, dass ein Feuer schnell von einem Haus auf das nächste übergreift.

„Das hätte aber vermutlich nicht besonders viel geholfen“, sagt Christa Hoffmann, die in Wülfrath Stadtführungen anbietet und sich mit der Geschichte der Häuser auskennt. Die Dächer berührten sich noch, der Abstand hätte wohl kaum ausgereicht, um ein Übergreifen der Flammen zu verhindern. Was aber tatsächlich einen weiteren Brand verhindert hat, war eine Art Feuerruhe zwischen 21 und 7 Uhr. „Die Menschen haben damals noch über offenem Feuer gekocht“, sagt Hoffmann. Um 21 Uhr läuteten die Kirchenglocken und gaben das Signal: „Alle Feuerstellen löschen.“ So konnte es nicht mehr passieren, dass — während die Bewohner schliefen — Flammen übergriffen. Immerhin bestanden die Gebäude zu dieser Zeit noch aus Naturmaterialien, ein Funke konnte genügen, um einen Brand auszulösen. Und ohne Feuerwehr war es schier unmöglich, ein solches Feuer zu löschen.

Nach dem Brand begannen die Menschen auch, die Balken der Fachwerkhäuser zu schwärzen, da dies schützende Wirkung hatte. Auch Strohdächer waren „out“ — zu gefährlich. Trotzdem lassen sich an vielen der Gebäude noch typische Dinge der damaligen Zeit ablesen, wie etwa Inschriften über den Türen, die zum Teil aufwendig gestaltet sind, oder die Fenster, von denen manche noch die gleiche Größe haben, wie zu dieser Zeit üblich.

Etwas Besonderes sind die Häuser am Kirchplatz zudem, weil sie seinerzeit nicht wie heute Hausnummern trugen. „Die meisten Menschen konnten damals nicht lesen“, sagt Hoffmann. Daher wurden den Häusern blumige Titel gegeben, so dass für jeden klar war, in welchem Haus wer wohnte, zum Beispiel im „Kleinen Klaus“ oder im „Großen Klaus“ nebenan. Klaus hat allerdings nichts mit dem Männernamen zu tun, sondern steht für „Behausung“. Ähnlich ist es mit dem Haus „Scholle“, dessen Bedeutung wohl auf die Erdscholle zurückgeht. Logisch ist die Bezeichnung für das Haus „Hinter’m Thurm“. Das Fachwerkhaus „Frythof“ in der heutigen 13 hat allerdings wenig mit dem naheliegenden Wort Friedhof zu tun. Der Name leitet sich aus dem Althochdeutschen ab, wo es für einen umfriedeten Vorhof steht. Es meint also eher eine Art Zufluchtsort als eine Ruhestätte im heutigen Sinn.

Schon im „Verzeichnis der schatz- und steuerpflichtigen sowie freien Güter des Amtes Mettmann“ (etwa 1670) ist ein anderes der Häuser am Kirchplatz unter dem Namen „Die Klock“ verzeichnet. Und auch heute noch hängt eine schöne Glocke über der Tür. Bei einer Renovierung wurde zudem aus Schieferfließen eine Glocke in die Fassade geformt. Unten am Türstock ist ein Glockensymbol platziert. Das war zu dieser Zeit üblich und ließ erkennen, was sich in diesem Haus befindet. So etwa nebenan: Datiert auf 1678 ist hier im Sockel der Türe eine Brezel zu finden — ein Zeichen dafür, dass sich hier einmal eine Bäckerei befunden hat. Der heutige Nutzer hat diese Tradition beibehalten. Da heute dort die Kneipe „K 5“ zu finden ist, kann man auf der anderen Seite der Tür im Sockel einen Bierkrug, datiert auf das Jahr 1983 entdecken.