Neviges Die neue Bon-Pflicht erregt die Gemüter
Neviges. · Seit Jahresbeginn müssen Einzelhändler jedem Kunden unaufgefordert einen Beleg über den Einkauf aushändigen. Die Begeisterung darüber hält sich in Grenzen.
Beim Backtreff am Busbahnhof wollen sich weder Kunden noch Personal zum Thema Bonpflicht äußern, das Verhalten der Käufer spricht allerdings für sich: Entweder bleibt der Kassenbeleg auf dem Tresen liegen, oder er wandert in den Mülleimer neben dem Eingang. Deutlich wird dagegen Barbara Knapp vom Partyservice und Mittagstisch Josef Knapp. Im Geschäft an der Elberfelder Straße herrscht reger Betrieb, doch praktisch jeder der Kunden, der sich ein leckeres Mittagessen gönnt, lässt den Bon auf dem Tresen liegen: „Wir müssen die Belege ausdrucken, um sie dann zu entsorgen. Das ist absurd!“ Auch Rudolf Forsthoff will den kleinen Zettel nicht haben, ebenso Dieter Scholten. „Den brauche ich nicht“, sagt der Nevigeser, der die ganze Aktion mit der Bon-Pflicht für Blödsinn hält: „Richtige Steuerhinterziehung gibt es an ganz anderen Stellen.“
Registrierkassen müssen bis Herbst nachgerüstet werden
Erst vor zwei oder drei Jahren musste die alte, noch voll funktionsfähige Kasse entsorgt und für teures Geld eine neue gekauft werden, mit einer Schnittstelle, an der Mitarbeiter des Finanzamtes jederzeit die Umsätze abrufen können, berichtet Barbara Knapp. Jetzt die Bon-Pflicht – und bis zum Herbst müssen vorhandene elektronische Registrierkassen mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung nachgerüstet sein, damit digitale Aufzeichnungen nicht nachträglich manipuliert werden können. Die Nevigeserin fragt, was sich die Politiker dabei denken: „Wir werden kontrolliert wie die Blöden.“ Dazu immer mehr Vorschriften und Auflagen für kleine Betriebe: „Das steht alles in keinem Verhältnis mehr. Es macht heute keinen Spaß mehr, selbständig zu sein.“
Dabei gebe es – Stichworte Cum-Ex-Geschäfte oder Dieselskandal bei Volkswagen – genügend große Baustellen, um die sich die Politik kümmern sollte. Für die Papierhersteller habe sich die Bon-Pflicht jedenfalls schon gelohnt, stellt Knapp fest: „Die Papierrollen für die Kasse sind zum Jahreswechsel im Großhandel deutlich teurer geworden.“
Auch Friseurmeisterin Ulrike Hinzen vom Salon Schröder kann der neuen Regelung nichts abgewinnen: „90 Prozent der Kunden wollen den Beleg nicht“, so ihre Schätzung. „Da wird viel vom Umweltschutz erzählt, und dann so eine Papierverschwendung“, meint sie kopfschüttelnd.
Erheblich mehr Belege gab es schon früher in den Apotheken: „Ein großer Teil an Medikamenten wird über Rezept abgerechnet und entsprechend registriert“, erläutert Thomas Bellers. Aber auch für jeden frei gekauften Artikel gibt es einen Beleg – auch wenn manche Kunden ihn nicht haben wollen. Der Apotheker hält sein Personal dazu an, dass die Kunden ihren Bon auch mitnehmen. Viele Kunden haben allerdings durchaus Interesse daran, ihre Ausgaben für Medikamente zu belegen: „Wer eine Kundenkarte hat, bekommt am Jahresende einen Gesamtausdruck über alle verschriebenen und frei erworbenen Präparate. Dieser Beleg kann direkt mit der Steuererklärung beim Finanzamt eingereicht werden“, erklärt Bellers den Hintergrund. Sehr viele Kunden nähmen diesen Service gern in Anspruch.
Bettina Stellwag vom gleichnamigen Weinhandel ist bisher von der Bon-Pflicht verschont geblieben, weil sie – noch – eine sogenannte offene Ladenkasse führt. Wer möchte, bekommt bei ihr natürlich auch einen Beleg für seinen Einkauf. Den Beleg muss sie ab einer bestimmten Summe aber ohnehin ausstellen. Insbesondere die oft angeführte Bon-Pflicht für die Bäckereien ist nach Stellwags Meinung unnötig. Er stellt fest: „Das sind doch meistens Ketten. Was hat eine angestellte Verkäuferin davon, wenn sie einen Umsatz nicht in die Kasse eingibt?“