Aus dem Drucker direkt in die Tonne Kassenbonpflicht: Jetzt braucht’s für jeden Kauf einen Beleg

Düsseldorf · Mit dem Jahr 2020 startete die Kassenbonpflicht. Der Kunde bekommt das nicht unbedingt mit – weil ausgedruckte Bons mitunter ungesehen in den Müll wandern.

Im Karlsruher Restaurant „Gasthaus Gutenberg“ haben die Inhaber im Dezember eine Woche lang Bons gesammelt und damit das Lokal geschmückt.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Der erste Bäckereibesuch im neuen Jahr verläuft wie der letzte im alten Jahr: zwei Rosinenmürbchen, zwei Laugenbrötchen, ein normales und ein Mohnbrötchen – macht vier Euro. Erst am Frühstückstisch und nach dem ersten Kaffee fällt auf: Lief da nicht etwas schief? Denn mit dem Beginn des Jahres 2020 trat in Deutschland die heiß diskutierte Kassenbonpflicht im Einzelhandel in Kraft. Der Stammbäcker hat davon offensichtlich noch nichts gehört.

Dem neuen Kassengesetz liegt im Grunde ein hehres Ziel zugrunde:  mehr Steuergerechtigkeit für alle. Wie Finanzminister Olaf Scholz (SPD) noch vor dem Jahreswechsel bekräftigte, gehe es um Umsatzsteuerbetrug in Milliardenhöhe und das in jedem Jahr. Durch die „Belegausgabepflicht“, wie sie offiziell heißt, sollen Manipulationen an den Registrierkassen künftig leichter aufgedeckt werden können. Deshalb blieb Scholz – ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – hart, obwohl der Handel bis zuletzt mit harten Bandagen gegen die Bonpflicht kämpfte.

Dass das Gesetz auf ein reales Problem zielt, bestätigte unfreiwillig der Sohn eines Spätkauf-Betreibers, der dem Berliner „Tagesspiegel“ erklärte, die Familie werde ihr Geschäft im Sommer aufgeben – mit akkuratem Kassenbericht lohne sich dieses schlicht nicht mehr. Der Verdacht liegt nahe, dass es um manches rheinische Büdchen ähnlich bestellt ist. Aber bringt die Bonpflicht hier etwas?

Kernstück des neuen Gesetzes sollten eigentlich technische Sicherheitseinrichtungen (TSE) in den Kassen sein, die eine nachträgliche Manipulation der Daten unmöglich machen sollen. Das Problem: Solche Sicherungssysteme sind noch überhaupt nicht auf dem Markt, der Gesetzgeber gewährt deshalb eine Übergangszeit bis Ende September für die Nachrüstung – was laut Handelsverband HDE 300 Euro plus Installation pro Registrierkasse kosten wird. Spätestens dann sei der ausgedruckte Bon zum Abgleich mit den digitalen Daten überflüssig. Die Pflicht zum Ausdrucken des Belegs sei daher „für den Einzelhandel eine zusätzliche Belastung und für die Steuerehrlichkeit kein Gewinn“, so ein HDE-Sprecher. Und: Fein raus sind Händler, die bisher keine Registrierkasse haben – denn die ist nach wie vor keine Pflicht. Jeder Unternehmer, so das Bundesfinanzministerium, könne weiterhin eine offene Ladenkasse verwenden, müsse dann aber „einzelne, vollständige, richtige, zeitgerechte und geordnete Aufzeichnungen“ vornehmen.

In den vergangenen Wochen haben viele deutsche Händler schon mal vorsorglich Bons angesammelt und im Internet für ihren Protest gegen die Druckpflicht genutzt – darunter ein nordrhein-westfälischer Bäcker, der in seinem Ladenlokal einen Bonberg aus dem Drucker wachsen ließ und eine Karlsruher Gaststätte, die mit Bongirlanden geschmückt wurde. „Wir rechnen mit mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr“, sagt HDE-Steuerexperte Ralph Brügelmann.

Im nordrhein-westfälischen Südlohn sammelte eine Bäckerei anderthalb Tage lang ihre Bons auf dem Fußboden und protestierte mit dem Bild online.

Foto: dpa/Michael Tenk

Und das buchstäblich für die Tonne, sagt der Düsseldorfer Bäckermeister Josef Hinkel, der selbst schon mal einen Bon-Sack in den Düsseldorfer Landtag trug und gegen das Kassengesetz wetterte. In seinem Laden drängen sich am Donnerstag lange Schlangen von Kunden, während unter der Theke die Bonschlangen direkt in den Mülleimer wandern. „Es gibt nur eine Pflicht, sie auszudrucken – nicht etwa sie auch auszugeben“, verdeutlicht er auf Nachfrage. Im Kiosk wenige Straßen weiter hat man von Bonpflicht indes noch nie etwas gehört. Folgen des Nicht-Ausdruckens: erst einmal keine. Der Verstoß sei „nicht bußgeldbewehrt“, so das Bundesfinanzministerium – er könne nur als Indiz gewertet werden, dass ein Betrieb nicht ordentlich aufzeichnet.