„Heimat bedeutet vielen nichts mehr“
Der Heimatbund verlor im Laufe der Jahre seine Aufgaben. Ralf-Robert Atteln sprach mit der WZ über das Vereins-Aus.
Wülfrath. Als der Heimatbund am 10. April 1956 gegründet wurde, war er der Verein für alles: Denkmalschutz, Mundart, Museumsförderung, Freizeit, Geschichte und Einzelhandel. Doch in 60 Jahren schrumpfte der Wirkungsbereich der Heimatfreunde beachtlich. „Viele unserer Aufgaben wurden im Laufe der Jahre von anderen übernommen“, sagt der Vorsitzende Ralf-Robert Atteln. Als sich der Verein damals etwa um Stadtkirche und Kirchplatz kümmerte, kämpften häufig noch Privatpersonen um den Erhalt von historischen Bauten und nicht das Land.
Eine letzte fatale Wendung nahm die Entwicklung des Vereins, der am vergangenen Montag einstimmig seine Auflösung beschlossen hat, aus Attelns Sicht im Jahre 2006. Bis dahin war der Heimatbund einziger Pate für das Niederbergische Museum. Wer die Einrichtung fördern wollte, wurde Mitglied. Doch als 2005 die Haushaltsmittel für das Heimatmuseum fehlten, gründete sich der Trägerverein. Für das Museum ein Segen, aber dem Heimatbund fehlte plötzlich das letzte große Zugpferd. Atteln berichtet: „In den vergangenen zehn Jahren kamen nur noch ein halbes Dutzend neue Mitglieder.“
In der Folge überalterte der Verein. „Unser Durchschnittsalter liegt in der 80ern“, bekennt Atteln. Nur vier Anhänger seien unter 60 Jahren, das älteste Mitglied ist 100.
Früher kamen noch jüngere Mitglieder, um etwas zu erleben. Atteln berichtet: „Wir hatten damals viele Frauen dabei. Das waren Kriegerwitwen ohne Führerschein, die gerne einmal raus wollten.“ In der 70er und 80er Jahren boomten die Autowander- und Busstudienfahrten der Wülfrather. Allein mit dem Bus war der Heimatbund 113 Mal unterwegs. An zeitweise sechs Terminen im Jahr steuerte die bis zu 50-köpfige Gruppe Ziele wie das Siebengebirge, die Burg Altena oder das Kloster Marienstadt in Linz an.
Doch die heimatkundlichen Ziele fanden immer weniger Anklang. „Deshalb sind wir später auch einfach mal zur Schalke-Arena gefahren“, erinnert sich Atteln. Doch es half alles nichts: Nach einer fünfjährigen Pause lud der Verein 2011 zum letzten Mal gemeinsam mit dem Bürgerverein zu einer Tour zu Axel Springer nach Essen ein. Vom Heimatbund kamen sechs Teilnehmer.
Das Problem geht an die Substanz: Dass was den Verein am Anfang definierte, ist offenbar nicht mehr gefragt. „Heimat bedeutet vielen nichts mehr“, sagt Atteln. Gleichzeitig sterbe die Mundart-Pflege aus. „Ich kenne gerade einmal noch ein Dutzend Wülfrather, die noch Mundart sprechen können.“
Da verwundert es kaum, dass Atteln vergeblich einen Nachfolger unter den verbliebenen 150 Mitgliedern suchte. Er selbst kann aus gesundheitlichen Gründen nicht weitermachen. „Wir haben im Verein schon seit anderthalb Jahren über das mögliche Ende diskutiert“, sagt der Wülfrather. Leicht sei ihm das Ganze nicht gefallen. „Mir tut es persönlich weh. Ich habe mein ganzes Leben mit dem Heimatbund mitgefühlt“, sagt Atteln.
Vor ihm auf seinem Wohnzimmertisch liegt ein vergilbter Zettel. Es ist die Anwesenheitsliste der zweiten Jahreshauptversammlung des Vereins am 24. April 1957 im Hotel Bovensiepen. Unterschrieben hat auch ein Ralf-Robert Atteln. „Mein Vater hatte mich als kleinen Jungen zur Versammlung mitgenommen“, sagt er und lächelt.