Homberg: Ein neuer Start ins Leben
Zwei Jahre lang lebte Helmut Wenke nach einem Schlaganfall im Wichernheim und hat immer trainiert. Jetzt will er ausziehen und wieder allein wohnen.
Homberg. Worauf er sich am meisten freut? "Darauf, dass ich wieder genau das machen kann, was ich will", sagt Helmut Wenke, zögert einen Moment und korrigiert sich: "Eigentlich kann ich das hier weitgehend ja auch..."
Hier, das ist seit gut zwei Jahren sein Zuhause: Ein 30 Quadratmeter großes Zimmer im Homberger Alten- und Pflegeheim. Das andere, das worauf er sich freut, ist seine Eigentumswohnung in Ratingen West. Dort wird er zwischen Weihnachten und Neujahr einziehen. Wieder.
Helmut Wenke hat etwas getan, was selten gelingt: Er hat gekündigt. Ende Dezember läuft sein Mietvertrag im Wichernheim aus. Dann beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt, das Leben in den eigenen vier Wänden. 65 Quadratmeter, dritter Stock. Aufzug. Jahrzehnte hat er dort gewohnt, bis zum 20. Juli 2007 - ein Datum, das er wohl nicht mehr vergessen wird.
Damals war von jetzt auf gleich Schluss mit Normalität. Beim Sport war er noch - Kegeln, erinnert er sich. Dann hat er Mittag gegessen, sich kurz hingelegt. "Als ich aufwachte, war mir taumelig", erzählt er. Bis auf den Küchenstuhl kam er noch, doch statt sofort die 112 anzurufen, wartete er erst einmal ab.
"Das würde ich nie wieder tun", beteuert er. Denn längst weiß er, dass bei der Versorgung eines Schlaganfalls jede Minute darüber entscheidet, wie stark spätere Behinderungen ausfallen.
Den Transport ins Krankenhaus, die Entscheidung der Sanitäter über die Autobahn nach Solingen-Ohligs zu rasen, weil näher gelegene Krankenhäuser belegt waren, all das hat Helmut Wenke mitbekommen. Auch dass links Arm, Bein, Fuß schlaff herunterhingen und er Worte nicht mehr artikulieren konnte, war ihm bewusst - ein Horror.
Die Reha in Bad Wünneberg folgte. Der dortige Sozialdienst suchte ihm ein Zimmer im Altenpflegeheim - Kurzzeitpflege zunächst einmal - und fand es im Wichernheim. "Im Dorf", wie der Neu-Homberger mittlerweile sagt. Denn eingelebt hat er sich im Altenheim ja doch, auch wenn er von vornherein das Ziel hatte, alles daran zu setzen, wieder in seine Wohnung zurückzukehren. "Aber klar", sagt er, "klar war das überhaupt nicht."
Sein Ziel vor Augen trainierte er schon morgens im Bett, machte die Übungen, die er in der Reha gelernt hatte. Alle, die ihn drängten, sich in seinem Zimmer häuslich einzurichten, vertröstete er. Mit dem Ergebnis, dass er jetzt nur mit Fernseher, einem Tischchen und einigen Kleidungsstücken ausziehen muss.
Und trotzdem: Das Altenheimleben hat ihn um viele Erfahrungen reicher gemacht. Viel Negatives werde über Altenheime berichtet. Helmut Wenke sagt: "Ich habe sehr positive Erfahrungen gemacht." Die Mitarbeiter hätten ihn immer unterstützt, seien fast immer freundlich gewesen. "Wenn man übers Pflegepersonal schimpft", findet er, dürfe man nicht vergessen, dass viele Bewohner eben auch sehr stur seien.
Einige neue Bekannte, mit denen er in der Cafeteria am Tisch saß, hat ihm das Altenheimleben beschert, Gymnastik und Unterhaltungsprogramm unterbrachen den Alltagstrott. Als Vorsitzender des Heimbeirats lag ihm die Sicherheit im Haus besonders am Herzen. Interessant sei es gewesen, das Miteinander der Bewohner zu erleben, sagt er. Ein Miteinander, das nicht immer ohne Tratsch und Streit abgeht.
Helmut Wenke ist nach wie vor ein Pflegefall. Mit einer Hand kann er den Rollstuhl vorwärts bewegen, in Begleitung am Rollator gehen. Seine Wohnung ließ er deshalb behindertengerecht umbauen, setzte den Bausparvertrag dafür ein. Der Umzug ist ein großer, ein gewagter Schritt. Doch der Ratinger hat das Ziel und den Willen, so selbständig wie möglich zu leben.
Drei Tage Probewohnen überzeugten ihn, dass es gehen kann. Ein ambulanter Dienst wird erst mal helfen, Essen auf Rädern ist bestellt. Seine Schwester Gertrud wohnt in der Nähe und wird beim Einkaufen behilflich sein. Doch schon jetzt überlegt Helmut Wenke, welcher Supermarkt in der Nähe rollstuhlgeeignet ist.
Worauf er sich am meisten freut? Die Selbständigkeit, klar. Aber nicht minder darauf, sich selbst ein paar Spiegeleier zu braten. Und was wird er vermissen? "Das sehr bequeme, höhenverstellbare Bett." Im Januar wird Helmut Wenke 69. Vielleicht erfüllt er sich ja mit einem neuen Bett zum nächsten Weihnachtsfest wieder selbst einen Wunsch.