Ihre Kunst gibt ihr Kraft und Hoffnung
Mit 39 Jahren hatte Jutta Bassing einen schweren Schlaganfall. Heute ist sie eine Künstlerin.
Wülfrath. Mick Jagger ist ein Mann mit Charisma, mit unverwechselbaren Gesichtszügen — der breite Mund, die tiefen Furchen. Ein solches Gesicht zu portraitieren ist ganz sicher nicht einfach. Jutta Bassing ist das mit links gelungen — im wahrsten Sinne. Denn seit ihrem schweren Schlaganfall ist ihre rechte Körperhälfte nahezu komplett gelähmt. „Direkt danach ging gar nichts, heute kann ich wieder mühsam laufen und die Hand auch etwas heben, aber Tätigkeiten mit rechts auszuüben ist absolut unmöglich“, erzählt die 59-Jährige, die auch das Sprechen erst wieder erlernen musste. Und nun das: Nicht nur das Porträt des Stonessängers, auch neun andere Bilder zieren derzeit die weißen Wände der allgemeinmedizinischen Arztpraxis von Dr. Desiree Schmitt und Dr. Ingo Winkelmann.
Auffallend ist die Vielseitigkeit — die Wülfratherin malt in Acryl, großflächig und bunt, sie skizziert mit feinem Bleistift, ihre Aquarelle bezaubern in ihrer Zartheit. „Dieses Bild hier“, Jutta Bassing zeigt auf ein tangotanzendes Paar, dessen Konturen in weichen, hellen Pastelltönen verlaufen, „ist bei der Vernissage doch tatsächlich verkauft worden.“ Sie kann es selbst kaum glauben, ist irritiert über die große Anerkennung. „Ich sehe mich gar nicht als Künstlerin“, sagt sie leise, sie ringt verlegen nach Worten, „ich male doch nur ein bisschen.“ Das sieht vor allem Ingo Winkelmann ganz anders. „Ich finde es unfassbar beeindruckend, was Frau Bassing aus ihrer schweren Situation heraus geschafft hat. Ich praktiziere hier die Heilkunst, Frau Bassing die Mal- und allem voran die Lebenskunst.“
Die verheiratete Mutter eines mittlerweile erwachsenen Sohnes hat Lehramt studiert, Biologie und Geschichte, später bei der TÜV-Akademie Rheinland, der VHS und in der Jugendförderung der Stadt Wülfrath gearbeitet.
1997, mit 39 Jahren, erlitt sie einen so schweren Schlaganfall, dass ihre Prognosen schlecht waren: Sprachverlust, schwere Lähmungen. Mit viel Ausdauer und Kraft hat sie gekämpft. „Ich wollte einfach mein Leben zurück“, sagt sie heute und lächelt schüchtern. Die große Aufmerksamkeit um ihre Person, ihre Kunstwerke, all das ist der leidenschaftlichen Köchin fast schon ein wenig suspekt. „Ich male nicht aus kommerziellen Gründen“, erklärt sie und sucht nach den passenden Worten, „ich male, weil es mir eine große innere Zufriedenheit verschafft, wenn ich ein schönes Bild beendet habe.“
Jutta Bassing, Künstlerin
Schon als Jugendliche hat Jutta Bassing gerne gemalt, die tiefe Leidenschaft dafür hat sie aber erst 2007 entdeckt. „Ich habe eine Künstlerin kennengelernt, die mich in ihr Atelier eingeladen hat. Seitdem ist sie eine enge Freundin geworden, ich besuche sie einmal wöchentlich, und wir malen zusammen, sie hat mir unfassbar viel beigebracht.“
Eine Patientin von Ingo Winkelmann bewundert die Bilder an den Wänden. „Ganz wunderbar, fantastisch“, schwärmt sie mit italienischem Akzent und auch Desiree Schmitt ist beeindruckt. „Dieses große Kunstwerk mit den Japanerinnen finde ich besonders schön“, lobt die Ärztin und zeigt auf einen bemalten Paravent. Jutta Bassing strahlt, freut sich sichtlich über die Komplimente. Ingo Winkelmann kann seinen Blick nicht vom Jaggerporträt lösen. „Der Gute kommt ja Dienstag zu uns“, sagt er grinsend in Anspielung auf das bevorstehende Stoneskonzert in Düsseldorf, „wäre ich ja gerne dabei, aber auch für mich ist das viel zu teuer. Ich erfreu mich da lieber an dem Willy Brandt-Porträt, dass Frau Bassing für mich gemalt hat — ein ganz wunderbares Bild, dass jetzt unser Wohnzimmer ziert“.