Kirchenführung mit dem Pfarrer: Geschichte statt Gebete
Pfarrer Thomas Rehrmann führte Bürger durch die Stadtkirche. Dabei ging es über eine steile Leiter sogar bis zu den Glocken.
Wülfrath. Sie hat schon einige Jahre auf dem Buckel und in den vergangenen Jahrhunderten wohl vieles in Wülfrath miterlebt. Die Stadtkirche im historischen Ortskern wurde im elften Jahrhundert das erste Mal erwähnt. Seither musste sie so manche Umbaumaßnahme, Brände und Kriege über sich ergehen lassen. Pfarrer Thomas Rehrmann kennt die Kirche gut. Er ist in Wülfrath groß geworden und kann so manch eine Legende und Geschichte über sie erzählen. Regelmäßig teilen Pfarrer Kriegsmann oder Pfarrer Rehrmann ihr Wissen mit interessierten Besuchern bei einem Rundgang durch das historische Gemäuer.
Am Mittwochabend wollen rund 20 Gäste in der Stadtkirche Pfarrer Rehrmanns Geschichten lauschen. Der Rundgang beginnt im Mittelschiff der Kirche vor dem Chorraum. Ruhig nehmen die Besucher in den vordersten Bänken Platz. Vereinzelt schallt ein Räuspern oder Husten durch das hohe Mittelschiff. „Im Nordschiff sehen wir noch die kleinen romanischen Fenster, welche aus der Gründungszeit der Kirche stammen. Die großen gotischen Fenster im Südschiff sind im 15. Jahrhundert entstanden“, berichtet Rehrmann.
Für Wülfraths Geschichte und die alte Stadtkirche interessiert sich auch Gisela Lichter. Sie ist erst vor drei Jahren ihren Kindern aus den neuen Bundesländern hinterhergezogen und fühlt sich langsam auch in Wülfrath angekommen. „Um sich an einem Ort heimisch zu fühlen, muss man auch etwas über seine Geschichte wissen“, sagt Lichter, während die Gruppe sich langsam auf den Weg zur Orgelempore macht. Rehrmann zeigt auf einen Abdruck an der Kirchendecke. „Früher haben die Menschen sich durch eine kreisförmige Öffnung in der Decke auf den Dachboden des Kirchturms vor Belagerern in Sicherheit gebracht“, so Rehrmann. „Man zog dann von oben die Leiter hoch und verharrte dort.“
Über eine schmale, steile Holztreppe gelangt die Gruppe auf den Dachboden des Mittelschiffes. Es riecht nach altem Eichenholz und Staub, es ist eisig kalt. Durch die geöffneten Luken im Kirchendach schweift der Blick über die Dächer der alten Fachwerkhäuser im Stadtkern. Unten kann man das Treiben und die Lichter des Herzog-Wilhelm-Marktes beobachten.
Den letzten Aufstieg lassen einige Besucher dann lieber aus. Hierfür muss man schwindelfrei sein. Eine frei stehende, hohe und leiterähnliche Treppe im Kirchenturm führt hinauf in die Glockenstube. Doch wer den Aufstieg wagt, wird belohnt: Eine große und zwei kleinere Glocken schweben über den Köpfen der Betrachter. „Die Glocken hier läuten immer noch das letzte Mal um 21 Uhr abends und das erste Mal um 7 Uhr morgens. Einst war das die Erinnerung zum Ausmachen und Anmachen des Feuers, um Brände zu verhindern“, so Rehrmann.