Neviges: Das Archiv des Grafen birgt viele Geschichten
Heinrich Tinnes, der 1926 im Schloss Hardenberg geboren wurde, hat dem Stadtarchiv umfangreiches Material zur Historie des Schlosses Hardenberg gestiftet.
Neviges. Für Stadtarchivar Christoph Schotten war es wie ein vorgezogenes Weihnachtsfest: Der Nevigeser Heinrich Tinnes hat dem Hüter der Velberter Stadtgeschichte jetzt sein privates Archiv über Schloss Hardenberg übergeben.
Das Aktenmaterial, das teilweise bis zu vierhundert Jahre alt ist, füllt ein ganzes Regal und ist eine wahre Fundgrube zur Historie des Herrensitzes. Lebendig wird die Geschichte der alten Wasserburg durch den Zeitzeugen Heinrich Tinnes - es gibt wohl kaum jemanden, der Schloss Hardenberg so gut kennt wie er.
Heinrich Tinnes wurde 1926 in dem ehrwürdigen Gemäuer geboren, nachdem sein Vater Nikolaus 1919 als Forst- und Jagdaufseher in den Dienst des Schlossherrn, Graf Wladimir von Marchant und Ansembourg, getreten war. Die Familie bewohnte das Obergeschoss der Wasserburg. Nach dem Ausscheiden des damaligen Rentmeisters Wilhelm Hegener im Jahre 1934 wurde Nikolaus Tinnes mit der Verwaltung des rund 400 Morgen umfassenden Forstbezirks betraut, während die landwirtschaftlich genutzte Fläche von der Rentei auf Schloss Crassenstein im westfälischen Wadersloh, dem Stammsitz der gräflichen Familie, verwaltet wurde.
"Um die Aufgabe wahrnehmen zu können, übergab Graf Wladimir damals meinem Vater das Rentei-Archiv", erinnert sich Heinrich Tinnes, wie die Unterlagen in den Besitz der Familie kamen - sämtliche Verwaltungsvorgänge seit 1815, Kassenbücher, Pachtverträge, Katasterunterlagen, Akten über den Ausbau von Straßen und Eisenbahn zu Beginn des 19. Jahrhunderts: "Die Hardenberger waren als größter Grundstückseigentümer in und um Neviges ja praktisch von sämtlichen Verkehrsprojekten betroffen", sagt Tinnes.
Schon damals wurde, wie der Schriftverkehr belegt, zäh um Grundstücksverkäufe gerungen, mit Enteignung gedroht, oder der Landrat warb mit der Aufwertung, die die Ländereien durch die neuen Verkehrsverbindungen erfuhren: "Dass dafür im Gegenzug höhere Steuern fällig wurden, zeigte sich erst später", ergänzt Schotten schmunzelnd.
"Die Eisenbahn hat das Schloss vom Ort getrennt und später die Brauerei in der Vorburg plattgemacht", meint indessen Tinnes. Deren Quelle sei versiegt, als die Bahnlinie in den Berg hinein verlegt wurde. Neben einer finanziellen Entschädigung wurde 1903 als Ersatz eine Wasserleitung vom Berg jenseits des Baches hinab gebaut, die Schloss und Mühle versorgte. Der Brunnen in der Vorburg wurde abgedeckt: "Da ist noch Anfang der 1930er-Jahre ein Pferd eingebrochen", erinnert sich Tinnes.
Nachdem der Graf das Schloss 1939 an die Stadt Neviges verkauft hatte, zog Familie Tinnes zunächst in die erst einige Jahre zuvor stillgelegte alte Mühle, später in das Gebäude der ehemaligen Rentei auf der anderen Seite des Hardenberger Baches. 1950erwarb die Kommune auch die noch übrigen Ländereien, insgesamt rund 210 Hektar, auf denen später Wohngebiete wie Burgfeld und Auf der Drenk entstanden.
Die Rentei überließ der Graf der Familie Tinnes für treue Dienste, und Nikolaus Tinnes wechselte in den Forstdienst der Stadt Neviges: "An dem Archiv hatte damals allerdings niemand Interesse", sagt Heinrich Tinnes. Ihm war es ein Anliegen, dass die Akten nun ins Stadtarchiv wechseln und damit auch der Nachwelt zugänglich sind: "Viele wichtige Informationen über das Schloss bleiben so erhalten", freut sich Archivar Christoph Schotten, der sich herzlich bei Tinnes für die großzügige Überlassung bedankte.