Ratingen: "Mein erstes Auto" - Für eine Handvoll Hunderter
In der neuen WZ-Serie „Mein erstes Auto“ berichten Ratinger über die Erlebnisse mit ihren ersten Wagen.
Ratingen. Ein Motor, vier Räder, meistens angerostetes Blech darunter und verbeultes drumherum - das waren sie: unsere ersten Autos. Kein ABS, keine Airbags, kein ESP - nix von all dem, was heute die Aufpreislisten füllt. Dass wir uns damit überhaupt auf die Straße gewagt haben. Dafür hatten die alten Kisten Flair, auch wenn sie nach jeder längeren Fahrt heiße Öltränen vergossen. Und sie boten die lang ersehnte Unabhängigkeit: Nie mehr um Papas frisch gewaschene und gewachste Karosse betteln. Und alle Freiheit dieser Welt: einsteigen und losbrausen - bis die Tankfüllung zur Neige ging. Kaum hatte man den Führerschein in der Tasche, machte man sich auf die Suche nach dem Schlüssel zur Freiheit. Marke? Egal! Farbe? Völlig egal! Hauptsache bezahlbar. Mit ein paar "Blauen" (für die jüngeren Leser: Hundertmarkscheine) in der Hosentasche wurden die Gebrauchtwagenhaie der Umgebung abgegrast. Bei der Oma noch schnell auf Musterenkel machen und das schmalbrüstige Sparschwein schlachten: So konnte man sogar in PS-höhere Regionen vorzustoßen. Die 55 Pferde, die etwa ein Ford Taunus bot, waren mit den 34 eines VW Käfer nicht zu vergleichen. Auch dann, wenn von den 55 Mustangs schon einige entlaufen oder an Altersschwäche gestorben waren. Wer keine Oma hatte oder ein Stück mehr Verlässlichkeit unter dem Fahrersitz haben wollte, rackerte in den Schulferien in der Fabrik, um dazu zu verdienen. Dann bekam man auch schon mal ein Auto, das sich nicht im Grenzbereich der Zulassungstoleranz bewegte. Doch in der Regel waren die Kisten betagte Gurken, die den Tüv noch mehr scheuten als der Teufel das Weihwasser. So machten sich nach dem Abi ganze Scharen altersschwacher Käfer, Enten und Kadetts auf den langen Weg nach Süden, vollgepackt mit Zelt, Campingkocher, einigen Dosen Ravioli und einem Liter Ersatzöl. Einige kamen gar nicht erst an, viele nicht mehr zurück. Manche schafften den Rückweg vielleicht auf dem Buckel eines ADAC-Transporters - das waren die Vollkaskofreaks mit dem Schutzbrief.
Mit unseren Autos beschleunigte man nicht, man setzte sich in Bewegung, man raste nicht über die Autobahn, sondern glitt durch die Landschaft. Das machte gelassen und entspannt, lenkte den Blick weg vom Tacho (da tat sich eh nicht viel) hin zur Tankanzeige (oh, wieder Reserve!) oder zum Knie der Beifahrerin. . .