Stadtbücherei: Aktion "Lebende Bücher"
In der Bücherei wurden gestern Lebensgeschichten aufgeblättert: Bei der Aktion „Lebende Bücher“ unterhielten sich Menschen, die sich nie zuvor gesehen hatten.
Neviges. Sechs Menschen, sechs Möglichkeiten zum direkten Gespräch: ein Streetworker, eine Journalistin, eine Koordinatorin des Hospizvereins, ein Globetrotter, ein ehemaliger Bürgermeister und ein Heilpraktiker für Psychotherapie stehen an diesem Donnerstagvormittag in der Stadtteilbibliothek Neviges als „lebende Bücher“ zur Verfügung.
„Ich finde die Idee neu und faszinierend. Es ist schön, dass man hier zusammen in den Dialog eintreten kann. Wie oft hat man ein Buch in der Hand und würde dem Papier oder dem Autor gerne Fragen stellen. Hier ist das möglich, hier können die ,lebenden Bücher’ direkt Antworten geben.“, sagt Klaus Büssow, der sich als „lebendes Buch“ zur Verfügung gestellt hat.
Der Heilpraktiker für Psychotherapie wird von Herbert Bethke (61) aus Neviges „ausgeliehen“, der sich für heute zwei Begegnungen vorgemerkt hat. „Ich wusste nicht genau, was mich erwarten würde, aber ich bin sehr positiv überrascht. Wir haben viele zufällige Parallelen entdeckt und wollen uns vielleicht noch mal nochmal in Ruhe treffen“, sagt der Vorruheständler.
Für 20 Minuten kann ein Buch „ausgeliehen“ werden, viele der Gesprächspartner sind aber so vertieft, dass die Zeitvorgabe keine Rolle mehr spielt. Annett Berens hat sich Erich Dreke ausgeliehen. Der Streetworker hat nicht nur diesen einen Beruf, er ist außerdem Personalratsvorsitzender der Stadt Velbert und hat als Boxkampfrichter mehr als nur eine Olympiateilnahme in seinem Lebenslauf stehen. 2004 wurde er sogar als bester Boxkampfrichter der Welt ausgezeichnet.
„Ich habe ihn mir ausgesucht, weil ich es interessant finde, dass er so viel in der Welt herumgekommen ist“, sagt die 51-Jährige. Berens ist Tagesmutter und außerdem als Vorlesepatin in der Stadtteilbibliothek aktiv, so ist sie auch auf die Aktion aufmerksam geworden.
Im Laufe des Gesprächs entdecken die Gesprächspartner, dass beide in der Ex-DDR aufgewachsen sind, dies bietet viel Gesprächsstoff. Auch aus seiner Zeit als Boxkampfrichter hat Dreke einiges zu erzählen. Zum Ende des Gesprächs sagt Berens: „Ich habe sehr viel mitgenommen und es hat richtig Spaß gemacht. Wir haben gar nicht mehr auf die Uhr geguckt.“
Etwa ein halbes Jahr Vorlaufzeit hatte die Aktion. Ulrike Motte, stellvertretende Leiterin der Stadtbibliothek Velbert, ist sehr zufrieden. „Wir haben uns gefragt: Wen würden wir selbst gerne ,ausleihen’? Wir waren sehr überrascht und erfreut von der positiven Resonanz, die wir von den ,lebenden Büchern’ bekommen habe“, sagt die 46-Jährige. Auch dass insgesamt zehn Nevigeser das Gesprächsangebot angenommen haben, ist für sie ein gutes Ergebnis.