Tobias Ehnes ist Ratingens Goldjunge
Der Judoka siegte bei den Olympischen Jugend- spielen und durfte sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen – als 16-Jähriger.
<strong>Ratingen. Im ersten Kampf hatte er bereits nach 57 Sekunden den Rumänen Adrian Nicola besiegt. Im Finale lag dann der Italiener Domenico di Guida auf dem Rücken - geschultert von Tobias Ehnes. Verzweifelt wehrte sich der Italiener gegen sein Schicksal, doch gegen Ehnes hatte er keine Chance. 25 Sekunden musste der Ratinger Judoka Guida noch halten. 25 Sekunden, die zur Ewigkeit wurden. "Immer wieder blinzelte ich von unten in Richtung Uhr. So lange sind mir diese Sekunden noch nie vorgekommen", erinnert sich Tobias Ehnes. Doch dann war es geschafft: Tobias Ehnes, der in zwei Wochen seinen 16. Geburtstag feiert, hatte in Belgrad bei den Olympischen Jugendspielen das Judo-Finale in der Gewichtsklasse über 90 Kilogramm gewonnen. Als der Ratinger in der ausverkauften Arena die Goldmedaille entgegennahm, die deutsche Flagge hochziehen sah und die Nationalhymne hörte, da verdrückte der junge Mann doch ein paar Tränen.
Sein persönlich größter Erfolg ging in der großen Welt des Sports nahezu unter, nicht aber in Ratingen. Da war man sich im Rathaus schnell einig, dass für den jungen Sportler eine Sonderehrung mit der Eintragung ins Goldene Buch der Stadt angemessen sei. "Ich wüsste nicht, dass sich hier schon mal ein Jüngerer eingetragen hat", sagte Bürgermeister Harald Birkenkamp.
Ist Judo überhaupt richtiger Sport? - fragen manche Zeitgenossen spöttisch. Vater Wolfgang Ehnes, Sportlehrer in Burscheid und Judo-Lehrer des Deutschen Judo-Bundes (DJB), sagt: "Judo ist die komplexeste Sportart, die es gibt. Ein guter Judoka muss viele Disziplinen beherrschen: zum Beispiel Laufen, Turnen, Tanzen, beidseitig beweglich sein und vieles mehr." Und Olympiasieger Tobias nickt zustimmend und erzählt, dass er Flic Flac ebenso beherrsche wie einen Spagat. Bereits als Dreijähriger bekam Tobias seinen ersten Judo-Anzug. Seine Geschwister betrieben ebenfalls diesen Sport, wenn auch nicht so erfolgreich wie er. Bald wurde sein Talent von Bayer Leverkusen erkannt. Für diesen Verein startet er auch heute noch. Dass der deutsche Judobund ihn für die Jugendspiele in Belgrad nominierte, war keine Selbstverständlichkeit. Entscheidend war, dass Tobias bei den internationalen Deutschen Meisterschaften in Berlin siegte und damit seinen ersten Ranglistenplatz bestätigte.
Das Sprichwort "Ohne Fleiß kein Preis" hat für Tobias Ehnes, der rund 90 Kilo auf die Waage bringt, eine besondere Bedeutung. Täglich trainiert er vier Stunden: zwei Stunden Judo, eine Stunde im Kraftraum und eine Stunde Laufen. Dazu kommen noch die täglichen Fahrten zu seinem Verein nach Leverkusen oder nach Köln ins Judo-Leistungszentrum. Und so ganz nebenbei muss er auch noch die Schule bewältigen.
Ohne die Unterstützung seines Vaters wäre das alles nicht möglich. Allein der Fahrdienst verschleißt alle drei Jahre ein Auto. Tobias besucht die Käthe-Kollwitz-Realschule in West. Nächstes Jahr wird er seinen Abschluss machen - mit der Durchschnittsnote zwei. "Das kann und will ich unbedingt schaffen, damit ich weiter zur Schule gehen kann, um mein Abitur zu machen." Die Frage nach weiteren Hobbys erübrigt sich. "Dafür ist keine Zeit mehr", sagt Tobias Ehnes.
Dass unter dem Leistungssport die schulischen Leistungen leiden könnten, lässt der Vater und Pädagoge Wolfgang Ehnes nicht gelten. "Im Gegenteil, der Leistungssport macht lebenstüchtig. Die Kinder werden viel selbstständiger als Gleichaltrige."
Sportliche Ziele hat Tobias Ehnes natürlich immer noch. Die Nummer eins im Schwergewicht des deutschen Judobundes will 2012 unbedingt bei den Olympischen Spielen in London dabei sein. Nahziel ist der Start bei den Junioren-Weltmeisterschaften im nächsten Jahr.