Tom, Paul, Mumpitz: Beim Arzt sind auch Tiere nur Menschen
60 Minuten beim Tierarzt, eine Stunde Stress für Hund und Herrchen. Und am Ende ist alles wieder gut. Eine Reportage aus der Praxis.
Wülfrath. Paul liegt auf dem Behandlungstisch. Es sieht aus, als schliefe er. Sein Maul wird mit einer Klemme offen gehalten, die Zunge hängt heraus. Paul ist ein siebenjähriger, schwarz-weiß gescheckter Bordercollie, der von Tierarzt Dr. Martin Zahner behandelt wird. Der wuschelige Patient ist der erste des Tages. Seit einer Stunde ist er unter Narkose. Zahner führt gerade eine Wurzelbehandlung an Pauls Zähnen durch.
Der betäubte Hund atmet ruhig. Bei jedem Zug ist ein kurzes Piepen zu hören. Die Atmung wird mit einem Gerät überwacht, damit Zahner eingreifen kann, falls Paul unregelmäßig atmet. Während der Arzt mit Geräten, die denen der menschlichen Zahnmedizin ähneln, den Wurzelkanal bearbeitet, mischt die Tiermedizinische Fachangestellte Tatjana Kaminsky die Kunststofffüllung. Die Arbeit zwischen Arzt und Assistentin läuft Hand in Hand. Nur manchmal gibt der Chef Anweisungen: „Jetzt können wir loslegen mit der Füllung“, sagt Zahner ruhig, nachdem der Wurzelkanal gereinigt ist.
Mit dem Kunststoff stopft der Tierarzt das Loch und lässt ihn unter ultraviolettem Licht aushärten. Nun kommt der nächste Teil. Zwei Schneidezähne müssen raus — beide sind braun verfärbt. Paul hat keine Wahl, er muss alles über sich ergehen lassen. Mit einem Beinschen-Hebel, der aussieht wie ein Schraubendreher, lockert der Tierarzt den Zahn, bis er ihn mit der Zange ziehen kann. Es fließt nur wenig Blut, stillen muss Zahner die Wunde nicht. Paul hat nichts mitbekommen.
Dr. Zahner zieht es weiter in den zweiten Behandlungsraum. Im Wartezimmer krabbelt der cremefarbene Mops mit dem fröhlichen Namen Mumpitz auf seinem Frauchen Heike Grundei herum. Mumpitz hatte eine Hornhautverletzung. Nach der Operation ist sein Auge vereitert und muss regelmäßig gespült werden. Der Mops wuselt herum, niest und fängt sogar an zu grummeln, als Assistentin Corinna Schnell ihn auf den Behandlungstisch hebt. Während sie Mumpitz beruhigt, sprechen Arzt und Frauchen das Vorgehen ab. Zahner zieht eine Spritze mit der Lösung auf und spült Mumpitz das Auge durch. „Super, hast du gut gemacht“, verteilt er Lob und Streicheleinheiten an das grunzende Fellknäuel. Noch Medikamente verschreiben lassen, und schon geht es für Mumpitz wieder hinaus aus der Praxis.
Ehe unsere Stunde beim Tierarzt vorbei ist, wird Kaninchen Tom untersucht. Die Zähne des siebenjährigen Nagers müssen regelmäßig gekürzt werden. Sie wachsen zwei Millimeter pro Woche und stoßen ins eigene Fleisch.
Als Tom aus seiner Box auf den Behandlungstisch gesetzt wird, zieht er ängstlich die Ohren an. „Er hat nicht abgenommen und frisst noch“, informiert Corinna Schnell ihren Chef. Zahner schaut mit einer spitzen Lupe, die gleichzeitig leuchtet, ins Kaninchenmaul. „Glück gehabt. Für diese Woche ist er ums Kürzen herumgekommen“, sagt Zahner.