Velbert: Frohes Fest für den Gaumen
Jeunes Restaurateurs: Sascha Stemberg hat es in den Klub der besten Köche in Europa geschafft und tritt auch als Fernsehkoch in die Fußstapfen seines Vaters Walter.
Velbert. Wo das Herz von voll ist, läuft der Mund von über, sagen sie im Rheinland. Und wenn das stimmt, dann hat Sascha Stemberg seine große Liebe in der Küche gefunden. Der 30 Jahre alte Nevigeser ist Koch, denkt Koch und lebt Koch. Das hat Sinn, weil der Apfel üblicherweise nicht weit vom Stamm fällt. "Aber ich habe mir das schon selbst überlegt", sagt Stemberg. Dass sein Vater Walter ein weithin bekannter Koch ist, war demnach nicht entscheidend? "Nein. Ich habe in der 9. Klasse des Gymnasiums ein Praktikum in einer Küche gemacht. Das war’s." Ein Jahr später verließ Sascha Stemberg das Gymnasium und trat seine Lehrzeit an.
Liebe scheint also tatsächlich durch den Magen zu gehen. Fest steht auf jeden Fall, dass Sascha Stemberg seine Geschmacksnerven gern verwöhnt. Und die seiner Gäste im Restaurant in Neviges natürlich erst recht. "Das Haus hier ist in meinem Berufsleben das Allerwichtigste", sagt Stemberg. Ein Blick auf den großen Parkplatz vor der Tür verrät, warum. Das Haus Stemberg ist seit Jahr und Tag eine der ersten Adressen in der Region. "Wir haben Gäste, die fahren 70, 80 Kilometer, mittags wie abends", sagt der junge Chef des Restaurants. Offenbar hat sein Vater seinerzeit den richtigen Weg eingeschlagen. Und auch der Sohn versteht sich auf feine regionale wie internationale Küche. "Mein Ziel sind leere Teller", sagt Stemberg. Dieses Ziel hat er erreicht. Das Haus ist ausgebucht. Bis Januar nächsten Jahres ist kein Tisch mehr zu bekommen.
Solche Erfolge lassen aufhorchen. Und der gute Ruf, den sich der junge Koch erarbeitet hat, verhallt auch bei Kritikern nicht ungehört. Vor ein paar Wochen wurde Sascha Stemberg in den erlesenen Kreis der Jeunes Restaurateurs aufgenommen. Das ist eine Vereinigung von derzeit knapp 40 aktiven und 20 ehemaligen Spitzenköchen in Deutschland. Dass das Haus Stemberg seit Jahren von allen führenden Gourmetführern empfohlen wird und es im jüngsten Vergleich unter die besten 195 von 1,7 Millionen Restaurants gebracht hat, überrascht kaum noch.
Umso bemerkenswerter ist, dass Sascha sich inzwischen ganz aus dem Schatten seines TV-erprobten Vaters gekocht hat. Stemberg junior ist selbst ein Fernsehkoch geworden. Knapp eine Million Leute schalten donnerstags gegen 18.50 Uhr das dritte Programm des WDR ein, wenn Stemberg im Wechsel mit einem Kollegen "Kochalarm" gibt. "Die Sendung ist die dritterfolgreichste im WDR. Deshalb haben wir den Vertrag jetzt um ein Jahr verlängert."
Das ist einerseits gut fürs Geschäft, geht andererseits aber auch ins Gebein. In den Wochen vor Weihnachten stellt Sascha Stemberg von Sechs- auf Sieben-Tage-Woche um. Da trifft es sich gut, dass die Lebensgefährtin auch vom Restaurantfach ist. Denn täglich zwölf bis 14 Stunden sind schon erforderlich, damit die insgesamt 23 Beschäftigten im Restaurant, angeleitet von den Chefs, Höchstleistungen erbringen können. "100 Prozent reichen nicht. Wir brauchen 110", sagt Stemberg junior.
Dabei weiß er natürlich, dass er selbst mit guten Beispiel vorangehen muss. Das erklärt, warum Ausflüge ins Fernsehstudio oder wie jüngst mit Tim Mälzer zum Wohltätigkeitskochen auf eine Kölner Bühne nur dann stattfinden können, wenn das Restaurant seine Ruhetage hat.
Das alles klingt nach rastloser Kocherei. So ist es auch. Dass Sascha Stemberg dennoch über das ganze Gesicht strahlt, wenn er davon erzählt, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass da wirklich einer spricht, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. "Es klingt vielleicht ein bisschen komisch, aber in meiner Freizeit sammle ich Kochbücher. 650 habe ich schon", sagt er. Die seltensten Exemplare gehen einmal im Jahr für drei Wochen mit ihm auf Fernreise. "Dann lasse ich sie von den Autoren signieren."
Wertschätzung der Konkurrenz scheint zu einem guten Koch dazuzugehören. Auch in Deutschland isst Stemberg gern bei Kollegen, egal, ob sie eine, zwei, drei oder gar keine Mütze haben. Und von Zeit zu Zeit muss es sogar amerikanische Küche sein. "Dann gehen wir nach der Arbeit zu Mäckes auf ein paar Burger." Ehrenrührig findet er das nicht. "Das machen viele Köche. Wer das Gegenteil behauptet, der sagt nicht die Wahrheit."
90 Prozent Handwerk, zehn Prozent Inspiration. So beschreibt Sascha Stemberg das Rezept für einen Koch. Bei ihm scheinen es ein paar Prozent Inspiration mehr zu sein. Das ist wohl der Unterschied zwischen einem Koch und einem guten Koch. Und wahrscheinlich führt es auch dazu, dass der Mund von dem überläuft, wovon das Herz so übervoll ist...