Wülfrather Ansichten: Stoff für Erinnerungen
130 Besucher kamen zur Eröffnung der Ausstellung mit alten Wülfrather Ansichten ins Museum. Viele hatten zu den Fotos auch die passende Geschichte.
Wülfrath. Zeiten ändern sich. Menschen und ihre Umgebung mit ihnen. Und manchmal kann man gar nichts dagegen tun, wie Marianne Bohnen auf der Fotoausstellung "Von damals bis gestern" wehmütig feststellte. Sie betrachtete die Rückansicht der Stadthalle, ehemals Havemanns-Scheune. Auf dem schwarz-grauen Foto wird an der Stadthalle gerade eine neue Eingangshalle angebaut, nachdem das Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg wieder seinem ursprünglichen Zweck zugeführt worden war - wie die Beschriftung Auskunft gibt.
"1945/46 ist die Stadthalle von den Alliierten beschlagnahmt worden. Dann wurden dort Flüchtlinge untergebracht", erinnert sich Bohnen noch ganz genau. "Und wenn die Stadthalle nun bald abgerissen wird, ist dieses Foto noch historischer", sagte sie.
Rund 130 Besucher schwelgten am Mittwochabend bei der Ausstellungseröffnung im Niederbergischen Museum nicht nur in Erinnerungen, sondern betrachteten Wülfrath im Wandel der Zeit. Häuser, Straßenzüge, Bauernhöfe mit ihren Feldern - vor den 75Aufnahmen wurde diskutiert, packten "alte Wülfrather" Anekdoten aus und zogen Vergleiche zu heute. Über einen Zeitraum von 1900 bis 1980 zeigt die Ausstellung, die größtenteils aus dem Nachlass Fritz Erbachs stammt, Wülfraths alte Schätze. "Die Idee stammt noch aus der Amtszeit des alten Vorstandes. Wir haben sie weiterverfolgt und aus über 1000 Fotos 75 ausgewählt, bearbeitet und gerahmt", sagte Heinz Franke, Vorsitzender des Trägervereins Niederbergisches Museums. Er hofft, dass die Ausstellung eine Initialzündung für weitere Präsentationen sein könnte.
Auf allzu "alte Schinken" verzichtete Ulrich Erbach, der die Bilder mit aussuchte, ganz bewusst - der Schwerpunkt liegt auf der Nachkriegszeit: "Die Bilder sind für die Generation gedacht, die jetzt in Wülfrath lebt. Für die Jungen, die erfahren können, was einmal war und für die, die miterlebt haben, wie sich ihre Stadt entwickelt und verändert hat."
Marianne Bohnen blieb vor dem Foto der zerbombten katholischen Kirche St. Joseph stehen. "Als mein Onkel im Krieg gefallen war, wurde in der zerstörten Kirche das Seelenamt für ihn gehalten. Irgendwie war das ein seltsames Gefühl." Erst im Jahr 1946 konnte St. Joseph nach Notreparaturen wieder genutzt werden.
Die Besucher ließen sich treiben, tauschten Erinnerungen aus, in Gesprächen wurde Stadtgeschichte wieder lebendig: "Ach ich weiß noch...", "Und hier wohnten meine Eltern - das Gebäude gibt es schon lange nicht mehr", "Da hätte ich ja gar nicht mehr daran gedacht - wie sich alles verändert hat." Evelyn Homberg hatte als "Wülfrather Mädel" zu jedem Foto eine Geschichte: "Hier in diesem Gebäude - dort ist jetzt der Kindergarten Wilhelmstraße - war früher die Sparkasse. Da war es immer ganz dunkel und edel. Ah ja, und hier haben wir uns als Kinder in den Waggons versteckt", sagte sie mit Blick auf das alte Bahnhofsgelände. Das Foto der Stadthalle machte viele Besucher nachdenklich: Peter Wiedemeyer betrachtete es intensiv: "Solche Bilder können traurige, aber auch schöne Gefühle hervorrufen. Aber der Wiedererkennungswert macht die größte Freude."
Wülfrath hat sich über die Jahrzehnte verändert und wird sich weiter verändern - und seine Bewohner? Die werden wohl feststellen, dass Erinnerungen immer das Beste an der Geschichte sind.