Fachtagung zum Thema Jugendliche und (Alkohol-)Sucht
Für einen Entzug gibt es lange Wartelisten. In Viersen diskutierten Experten über Behandlungsformen.
Niederrhein. Allein in Deutschland gelten fünf Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene als suchtgefährdet. Fünf Prozent der zwölf- bis 17-Jährigen und knapp 13 Prozent der 18- bis 25-Jährigen konsumieren laut aktuellem Drogen- und Suchtmittelbericht regelmäßig Cannabis. Dazu kommen regelmäßiger Alkoholkonsum gekoppelt mit Rauschtrinken. Zahlen, die sich auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LVR-Klinik Viersen widerspiegeln.
Die vorhandenen acht Plätze für Entzugsbehandlungen von 14- bis 18-Jährigen in Viersen sind belegt, es gibt eine lange Warteliste. Vor diesem Hintergrund hatte Freia Hahn, Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der LVR-Klinik, eine Fachtagung in der Viersener Klinik angeregt, an der Experten aus ganz Deutschland teilnahmen.
Das Thema wurde dabei von den verschiedensten Seiten beleuchtet: angefangen von Präventionsmaßnahmen über die eigentliche Suchtbehandlung bis hin zu Abhängigkeitserkrankungen. Zurückgezogenheit, die Verweigerung des Schulbesuchs, kein Interesse mehr an bestehenden Hobbys, all das können die Vorzeichen dafür sein, dass ein Kind oder ein Jugendlicher sich in einer Phase befindet, in der es leicht zu einer Suchterkrankung kommen könnte.
Die Eltern sind hier als Ansprechpartner gefragt, wobei sie sich nicht scheuen sollten „professionelle Hilfe der entsprechenden Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen“, betonte Hahn. In Sachen Prävention haben die Eltern aber eine weitere wichtige Aufgabe und die setzt viel früher an.
„Kinder, die eine gute Bindungserfahrung haben, sind widerstandsfähiger gegen Suchtmittel, wenn diese auf sie zukommen“, sagte Edelhard Thoms aus Leipzig. Und: Eltern sind gefragt, ihren eigenen Suchtmittelkonsum zu kontrollieren.
In Rostock setzt man auch auf die Hilfe der Kommunen. „Bei uns haben wir an der Erreichbarkeit von Alkohol über Testkäufe gearbeitet. Undichte Stellen wurden geschlossen und so die Verfügbarkeit des Suchtmittels Alkohol eingeschränkt“, berichtete Olaf Reis von der dortigen Universitätsklinik.
Laut Statistik wird alle elf Minuten ein Minderjähriger aufgrund einer akuten Vergiftung in einem Krankenhaus behandelt. Und nicht nur das. „Wir konnten eine deutliche Zunahme von Entzugsphänomenen in Kliniken bei Kindern und Jugendlichen beobachten“, so Thoms.
Neben Alkohol und Cannabis spielen das Internet und der Computer ebenfalls eine große Rolle bei den Suchterkrankungen. Eine Suchterkrankung im Kinder- und Jugendalter gefährdet die psychische Gesundheit und psychosoziale Anpassung erheblich.
Das Risiko der Entwicklung weiterer psychischer Erkrankungen im frühen Erwachsenenalter ist hoch. „60 Prozent der Jugendlichen entwickeln Abhängigkeitserkrankungen in Formen wie Störungen im Sozialverhalten, Depressionen, Psychosen oder Traumata.“ Das sagte Ingo Spitczok, Fachbereichsleiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie Viersen.
Eine qualifizierte Behandlung ist nach Ansicht der Experten das Entscheidende, wobei nicht nur allein der Entzug ausschlaggebend ist. Die Behandlung der Grundstörung ist ebenso nötig, damit sich eine Rehabilitationsphase anschließen kann.