Zeitzeuge Erich Wüllems (91) sprach Gedenken an Nazi-Opfer: Zeitzeuge spricht in Kempen
Kempen. · Erich Wüllems (91) hielt am Mahnmal an der Umstraße eine Rede.
„Wir zogen an den Trümmern der noch qualmenden Kempener Synagoge vorbei und sangen ,Oh wat en Freud’.“ Mit bewegenden Worten erinnerte Erich Wüllems bei der Gedenkstunde an die Pogrome in der Nacht zum 10. November 1938. Der Kempener Erich Wüllems ist 91 Jahre alt und gehört damit zu den Letzten, die als Zeitzeugen aus eigener Anschauung über die Geschehnisse berichten können. Umso wertvoller sind seine Schilderungen.
Auf Einladung von Ina Germes-Dohmen, der Vorsitzenden des Kempener Geschichts- und Museumsvereins, sprach bei der alljährlichen Gedenkfeier am Mahnmal für die ehemalige Synagoge an der Umstraße in der Altstadt.
Sehr viele Menschen waren dabei, vielleicht auch aufgerüttelt durch aktuelle Ereignisse wie den Anschlag auf die Synagoge in Halle, bei der zwei Menschen getötet wurden. Der Klarinettist Gerhard Holtemeyer übernahm, wie schon so oft, sensibel und einfühlsam die musikalische Gestaltung der Veranstaltung. „Ich bin froh, dass die Erinnerung an die Familie Hirsch durch die Stolpersteine am Kolpinghaus wachgehalten wird“, sagte Erich Wüllems.
Er wuchs in unmittelbarer Nachbarschaft auf, im von Nievenheim’schen Haus. Dort wohnte er mit seinen Eltern und Großeltern. Familie Hirsch betrieb eine Metzgerei, dort kaufte man ein, seine Mutter ging dort putzen.
„Das waren für mich ganz normale Nachbarn, wir sprachen nie darüber, dass die Hirsch’ Juden waren“, erzählt Erich Wüllems. Auch die Synagoge an der Umstraße sei für ihn genauso normal gewesen wie die beiden christlichen Kirchen in der Stadt. Dann gab es das Schild an der Metzgerei „Kauft nicht bei Juden ein“. Die Mutter beendete ihre Arbeit bei der Familie Hirsch. Auch darüber wurde zu Hause nie geredet.
Am Morgen des 10. November 1938 war Wüllems in der Volksschule, damals umbenannt in Adolf-Hitler-Schule, als er hörte, dass es in Kempen brenne. Am gleichen Abend zog in Kempen der Martinszug durch die Stadt, vorbei an verwüsteten und geplünderten Häusern von Kempener Juden und an der noch qualmenden Synagoge. „Das sind Bilder, die mich jedes Jahr zu St. Martin wieder einholen.“
Menschen trugen plötzlich den Davidstern an der Kleidung, wirkten ängstlich und waren eines Tages „einfach weg“. „Erst nach dem Krieg ist mir klar geworden, was da geschehen ist“, so Wüllems.