Nach Chemie-Unfall in Kempen Feuerwehr probt für den Ernstfall

Kempen/Grefrath · Im vergangenen Jahr kam es in einem Chemie-Unternehmen in Kempen zu einem Großbrand. Um für den Ernstfall gewappnet zu sein, führt die Freiwillige Feuerwehr immer wieder Übungen in Unternehmen durch.

Für die Wehrleute ging es bei der Übung auch darum, das Gelände von Byk-Chemie kennenzulernen.

Foto: Norbert Prümen

Flammen lodern hoch, überall ist Rauch. Menschen wurden verletzt, eine Person irrt sichtlich verwirrt umher. Mit diesem Szenario wurden die Einsatzkräfte des Löschzugs Kempen am Samstagmorgen auf dem Gelände von Byk-Chemie im Kempener Industriegebiet Am Selder konfrontiert. Zum Glück für die Wehrleute war es nur eine Übung, das Szenario hatte sich ein Team der Feuerwehr um den stellvertretenden Löschzugführer Alexander Jansen ausgedacht. Angesetzt war der Einsatz bei Byk für 8.30 Uhr, und nachdem die Feuerwehr noch einen realen Einsatz fahren und Tragehilfe leisten musste, konnten die Wehrleute denn auch kurz darauf bei Byk starten. Bei realen Einsätzen sei die Anfangsphase für die Wehrleute besonders stressig, so Kempens Wehrsprecher Christian Ullmann – schließlich prasselten da viele Eindrücke auf die Wehrleute ein, seien viele Aufgaben zu verteilen.

Immer wieder führen die Feuerwehren in örtlichen Unternehmen Übungen durch. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den sogenannten Störfallbetrieben mit erweiterten Pflichten. Dazu zählt neben Byk-Chemie auch Wall Chemie, ebenfalls im Industriegebiet Am Selder in Kempen. Ziel der Übungen ist es unter anderem, dass die Wehrleute die Örtlichkeiten kennenlernen, wissen, mit welchen Stoffen dort hantiert wird und wo beispielsweise Hydranten für die Wasserversorgung zu finden sind.

Wie wichtig diese Übungen sind, wurde im vergangenen Jahr deutlich, als es im August zu einem echten Großbrand bei Byk kam. Rund 250 Feuerwehrleute aus der gesamten Region waren damals dort im Einsatz, nachdem es in einem von 15 Tanks mit Rohstoffen, die in einer Halle auf dem Gelände gelagert waren, zu einer Explosion und in der Folge zum Brand gekommen war. Die Rauchwolke war weithin über Kempen zu sehen. Dabei habe sich gezeigt, wie wertvoll die Übungen vor Ort seien, berichtete Kempens Wehrführer Franz-Heiner Jansen damals dazu, „der erste Angriffstrupp kannte sich dort aus.“

Für die Übung am Samstag hatte das Team um den stellvertretenden Löschzugführer Jansen nun dafür gesorgt, dass für die Wehrleute auch einige Überraschungen dabei waren, wie sie eben auch bei einem realen Einsatz vorkommen könnten. So war beispielsweise ein Löschbrunnen auf dem Gelände von Byk zugeparkt, die Wehrleute mussten erst einmal einen anderen Hydranten finden, um den Löschangriff vorbereiten zu können. Das in einer Wanne entzündete Feuer war dann rasch gelöscht, die Reanimation einer Person klappte, die „Verletzten“, gespielt von Mitarbeitenden des Unternehmens, wurden erstversorgt und an den Rettungsdienst der Stadt Kempen übergeben, der ebenfalls im Übungseinsatz war. Auch ein weiterer wichtiger Teil der Übungen klappte: die Kommunikation untereinander und mit den Vertretern des Unternehmens.

Der Großbrand im vergangenen Jahr habe erhebliche Auswirkungen für das Unternehmen und die Kunden gehabt, berichtete Sven Kremser als Sprecher des Unternehmens. Man habe aber rasch reagiert: Produkte, die bislang in Kempen hergestellt wurden, seien daraufhin an anderen Standorten der Byk-Gruppe gefertigt worden. Das alte Tanklager am Kempener Standort, in dem 15 Tanks lagerten, wurde nach dem Brand komplett abgebrochen, übergangsweise nun ein neues Tanklager errichtet, in dem allerdings nur Platz für drei große Tanks ist. Doch immerhin kann das Unternehmen damit einen guten Teil der Produkte wieder in Kempen herstellen.

In Grefrath übte die Gesamtwehr bei der Firma Polytex Sportbeläge.

Foto: Norbert Prümen

Insgesamt sind am Standort Kempen rund 50 Mitarbeiter beschäftigt. Ein Teil von ihnen war vorübergehend am Standort Wesel tätig, inzwischen sind alle wieder nach Kempen zurückgekehrt. Um in Kempen wieder voll produzieren zu können, will das Unternehmen investieren, rund 20 Millionen Euro sind vorgesehen. Dazu soll ein neues Tanklager dort errichtet werden, wo vorher das alte stand. Das Interims-Tanklager reiche nicht aus, „in einer Chemieanlage ist das Tanklager das Herzstück der Produktion“, so Standortleiter Michael Bessel. Der Bau soll im Herbst mit der Bodenplatte starten – dann kann es für die Nachbarschaft auch etwas lauter werden, wenn die großen Bagger anrollen. Stahlbau, Tanks und Aggregate sollen im Frühjahr 2026 folgen, Ende 2026 soll das neue Tanklager fertig sein.

Der Löschzug Kempen räumte nach dem morgendlichen Einsatz bei Byk ein und fuhr weiter, im Rahmen einer 24-Stunden-Übung hatten die Wehrleute noch weitere Übungen, unter anderem bei Hamelmann und im Kieswerk, zu bestreiten. Auch in Grefrath hatte die Feuerwehr viel zu tun: Die Löschzüge aus Grefrath und Oedt sowie die Löschgruppen aus Mülhausen und Vinkrath bestritten ihre jährliche Gesamtwehrübung bei der Firma Polytex Sportbeläge. Dort wurde ein Brand mit vermissten Personen inszeniert, die Einsatzleitung hatte Matthias Hoersen. Innerhalb kurzer Zeit retteten die Wehrleute fünf Menschen aus einer stark verrauchten Halle und übergaben sie dem Rettungsdienst, kurz darauf war das Feuer gelöscht. Mit dem Ablauf zeigten sich der Übungsleiter und Löschzugführer Grefraths, Rainer Thönes, und Feuerwehrleiter Hans-Konrad Funken zufrieden.