Kempen: Im Zweifel für den Angeklagten
Eine zwei Jahre zurückliegende Brandstiftung hat ein Nachspiel. Das Landgericht muss den Fall neu aufrollen.
Kempen/Krefeld. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Landgericht Krefeld jetzt wegen eines Urteils vom 11. Mai 2009 abgewatscht. Da saß ein 22-Jähriger wegen vier Einbrüchen und Brandstiftung auf der Anklagebank.
Die Erste Große Strafkammer der Jugendkammer hatte den jungen Mann, der damals in Kempen wohnte, für drei Jahre ohne Bewährung ins Gefängnis geschickt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Urteilsbegründung: Schwere Brandstiftung und Diebstahl in vier Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb.
Dieses Urteil ist zu hart, befand jetzt der BGH. Die Karlsruher Richter haben den Rechtsspruch aufgehoben und den Fall zurück ans Krefelder Landgericht gegeben.
Bedenken hat der BGH, dass dem 22-Jährigen schwere Brandstiftung vorgeworfen wird. Die Jugendkammer hatte einen minder schweren Fall abgelehnt. Der Angeklagte leide an einer schweren Persönlichkeitsstörung, er habe überhaupt keine Kontrolle über sich.
Was war passiert? Im November 2007 radelte der 22-Jährige mit zwölf Flaschen Bier intus zur Wohnung seiner Ex-Freundin an der Mülhauser Straße, mit der er drei Jahre zusammen gelebt hatte. Schlüssel ins zweieinhalbgeschossige Drei-Familien-Haus hatte er noch, die Ex war nicht zu Hause. Er trat in die Dachgeschosswohnung ein, sah sich um- und hielt ein Feuerzeug an Kleidungsstücke der Verflossenen. Nach dem Zündeln verließ er die Wohnung.
Der Dachstuhl brannte ab, das Haus wurde evakuiert und seitdem nicht mehr bewohnt. Mittlerweile ist es abgerissen, weil das benachbarte Hospital die Fläche zwecks Erweiterung gekauft hat.
Die vier Einbrüche hatte der 22-Jährige noch als Heranwachsender begangen. In einem Fall erbeutete er 17.000Euro. Im Juli 2008 ging er zur Polizei und gestand seine Taten.
Der BGH merkt auch kritisch an, dass der 22-Jährige für die Taten, die er als Heranwachsender begangen hat, nach Erwachsenen-Strafrecht beurteilt worden ist. Und obwohl die Jugendkammer eine Persönlichkeitsstörung feststellte, seien dem jungen Mann besonders verachtenswerte Motive wie krasses Besitzdenken in vollem Ausmaß vorgeworfen worden.
Mit anderen Worten: Der Rechtsgedanke "Im Zweifel für den Angeklagten" sei in Krefeld nicht in Betracht gezogen worden. Vor diesem Hintergrund sei auch die Unterbringung in die Psychiatrie nicht gerechtfertigt, so Karlsruhe. Der BGH legt dem Richter, der sich demnächst mit dem 22-Jährigen befasst, ans Herz, eine Entziehungskur für den Angeklagten in Betracht zu ziehen.