Gesundheit Mit Tischtennis Parkinson bekämpfen 

Kempen · Die Kempener Selbsthilfe-Gruppe Parkinson will mit einem neuen Sportangebot Betroffene locken. Das Spiel mit Ball und Schläger soll den Bewegungsapparat stärken.

In der Turnhalle der ehemaligen Kempener Realschule praktiziert die Gruppe um Günter Madré (hinten rechts) „Ping Pong Parkinson“.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Wer die Sporthalle der ehemaligen Realschule betrat, konnte quietschende Schuhe und ein deutliches „Pingpong“-Geräusch wahrnehmen. An drei blauen Tischtennisplatten sah man sechs Aktive zwischen 50 und 80, die mit mehr oder weniger behendem Schwung versuchten, die kleinen Kunststoffbälle über das Netz zu befördern. 

Wolfgang Höfer flog in einem Moment der Unachtsamkeit der Schmetterball von Günter Madré um die Ohren - und musste mit ihm erst einmal eine Sitzkiste anheben, unter der der Spielball gerollt war. „Das war halbwegs fair verteidigt“, schmunzelte er angesichts des Schlagabtauschs. Früher sei er mit den Kindern nur an den Tischtennisplatten aus Beton unterwegs gewesen, erzählte der 71-Jährige. Jetzt versuche er sich seit einem Vierteljahr selbst in der Kunst des Ping-Pong. „Die Schmetterbälle zu parieren und das Stellungsspiel, wenn der Flash kommt“, das sei das Wichtigste, meinte der Defensivspieler.

Das Training verbessert
die Bewegungsabläufe

Wenn man ihm zusah, war von motorischer Verlangsamung kaum etwas zu sehen, obwohl er seit acht Jahren an Parkinson leidet. Bislang habe sich die Krankheit bei ihm zum Glück noch nicht so stark gezeigt, sagte er. „Und je mehr man trainiert, desto besser wird es. Wenn man hier spielt, ist Parkinson für die Zeit ausgeschaltet“, meinte der Moerser, der dafür jeden Mittwoch extra die gut 25 Minuten fährt. „Die Gruppe ist hier ziemlich homogen, ich wurde gut aufgenommen. das sind auch zusätzliche soziale Kontakte“, sprach er einen wichtigen Aspekt der Krankheit an. „Da kann man sonst sprichwörtlich verkümmern.“ Dann fixierte er den Ball, ließ ihn aus den Händen gleiten und traf ihn mit dem Schläger, um ihn auf die andere Seite zu bringen.

In einer Pause griff Siegfried Arlinghaus zum Handtuch und setzte sich auf die Bank an der Hallenwand. Die Diagnose Parkinson habe er vor drei Jahren erhalten, erzählt der 72-jährige Kempener. „Das war Zufall, eine Routine-Untersuchung beim Arzt. Ich hatte zittrige Finger, hab das dann beim Neurologen abgeklärt.“ Dann stelle man sich natürlich Fragen wie „Was wird noch?“ , verstecke sich auch ein bisschen. „Man lebt damit, hantiert vorsichtiger mit allem, vergegenwärtigt sich den Bewegungsablauf.“

Den Kontakt zur Selbsthilfegruppe habe er über einen Flyer gewonnen. „Hier herrscht der Background unter Gleichgesinnten, man tauscht sich über Medikamente und so aus.“ Früher habe er auch mal Tischtennis gespielt, „aber eher hobbymäßig.“

Die Vorteile des Spielens nimmt er selbst bei sich wahr. „Das sind die spontanen Reflexbewegungen, die einem zu Hause fehlen“, beschrieb er den Unterschied. „Man macht halt einfach.“ Sein Sohn Kurt animierte ihn, die nächste Spielrunde einzuläuten. „Ich arbeite im HPZ in Kempen, bin zum Spass mit dabei“, bezeichnete er das Angebot als „sehr sinnvoll, das tut den Leuten auch gut und hilft einem.“ Bei seinem Vater habe er schon Fortschritte ausmachen können. „Er hat sich wirklich gesteigert, er kann das echt gut.“

Das Angebot soll
auch Jüngere anlocken

Das Konzept „Ping-Pong-Parkinson“ für Erkrankte und ihre Angehörigen habe man im Juli vergangenen Jahres vorgestellt, sagt Günter Madré, der als Ansprechpartner für das Projekt in Kempen fungiert. „Der Leiter der NRW-Gruppe ist im Heilig-Geist-Krankenhaus vom Leiter der Neurologie behandelt worden, hörte von unserer Selbsthilfegruppe und hat gefragt: Wäre das nicht was für euch?“

Über das Tischtennis merke man, dass man noch vieles kann. „Bewegung ist das A und O, sonst rostet man und kann sich halt nicht mehr so gut bewegen.“ Margret Bayer konnte das für ihren Mann Werner nur bestätigen.“ Beim Spielen sehe ich den Unterschied, sonst ist er schwerfälliger“, verfolgte sie erfreut die Bewegungen des 78-Jährigen. 

Corona habe leider für einige Zeit die Regelmäßigkeit des Trainings eingeschränkt, so Madré. „Wir wollen viel mehr machen, aber viele sind zurückhaltend, sich da sportlich überhaupt zu betätigen.“ Es gebe aber immerhin eine Stamm von sechs, sieben SpielerInnen. „Wir wollen aber auch gerne noch jüngere Teilnehmer für die Sportgruppe erreichen“, sagte er. Dazu können Besuche wie beim Bundesligisten PSV Borusia Düsseldorf, den die Gruppe Ende 2021 bei einem Europa-League-Spiel zusehen durfte, sicher beitragen. „Da war auch Timo Boll dabei“, zeigte er nach stolz ein Gemeinschaftsbild mit dem deutschen Superstar des Ballsports.

Das Training findet regelmäßig parallel zum Reha-Training jeden Donnerstag nachmittag von 16 bis 17.30 Uhr in der Sporthalle der Realschule Kempen statt.