Außergewöhnliche Aktion in Nettetal Wer der Alten Kirche helfen will, kauft Boden-Lose
Nettetal-Lobberich · Der Boden der Alten Kirche in Lobberich hat schwere Schäden. Er muss repariert werden, damit Besucher nicht ins Stolpern geraten. Der Förderverein hat sich daher Sofortmaßnahmen ausgedacht – und eine außergewöhnliche Spenden-Aktion.
(b-r)Wie wäre es mit einem ausgefallenen Geschenk zu Weihnachten? Sie könnten für sich und Ihre Lieben einen Quadratmeter Boden der Alten Kirche Lobberich „erwerben“ und damit zum Stifter werden. Kostet 100 Euro und ist gut angelegt. Der Boden bleibt in der Kirche – der Name des Stifters kommt, wenn gewünscht, auf eine Tafel an der Kirchenwand, und der Stifter erhält eine Urkunde.
Diese Idee beschreibt das Plattenpaten-Projekt des Fördervereins Alte Kirche Lobberich. „Alte Kirche bodenlos?“, so lautet es. Der historische Blausteinboden weist erhebliche Mängel auf. Bastian Rütten, Koordinator für die Alte Kirche, und Antonius und Christoph Kiwall von der Brüggener Werkstätte für handwerkliche Denkmalpflege beschreiben die Schäden: Die Platten wackeln, sind gegeneinander verschoben, ragen als Stolperfallen heraus. Manche Schäden müssen, da sie eine Gefahr für die Besucher darstellen, sofort behoben werden, andere können vorübergehend unter einem Teppich versteckt werden.
Die Restaurierungsarbeiten haben vor dem Altar bereits begonnen. Platten wurden herausgenommen, gereinigt, der Untergrund präpariert und die Blausteinplatten wieder eingesetzt. „Wir reparieren, ohne den Charakter kaputt zu machen“, sagt Antonius Kiwall. Mit den ersten Arbeiten haben sie nebenbei Grundlagenforschung betrieben und mögliche Verfahren für eine erfolgreiche Reparatur getestet.
300 Quadratmeter Bodenfläche müssen jetzt noch repariert werden. Die Kosten werden gut 80 000 Euro betragen, nach Abzug bereits eingegangener Spenden, der vom Förderverein übernommenen Kosten und der Finanzierung durch die Pfarre bleibt eine Lücke von knapp 50 000 Euro.
Kirche wurde 1493
zum ersten Mal erwähnt
Zwischen Januar und März 2024 wird die „Hauptverkehrsfläche“ restauriert, wie Bastian Rütten sie nennt. Das ist der Boden im Mittelschiff bis zum Seiteneingang. In dieser Zeit finden nur die Friedensgebete und drei Gottesdienste finden statt.
Historisch geht die Alte Kirche auf die zweite Hälfte des 15. Jahrhundert zurück. 1493 wurde die Kirche im Pastorenregister erwähnt. Im 18. Jahrhundert wurde der Bau im Barock-Stil. Als die Pfarrkirche St. Sebastian 1893 eingeweiht wurde, sollte die Alte Kirche abgerissen werden, was die Lobbericher verhinderten. Bis 1941 fanden in der Kirche Schul- und besondere Gottesdienste statt. 1945 wurde die Kirche durch den Krieg stark beschädigt. Der Schutt blieb liegen, bis 1968 Jugendliche aus Lobberich ihn wegräumten und die Kirche als Jugendkirche nutzten. Seit 2012 ist sie ein Ort für „Gott – Mensch – Kultur“: Der Arbeitskreis Alte Kirche bietet besondere liturgische Formen an, Konzerte, Lesungen und Theater.
Bastian Rütten als Koordinator bezeichnet das Gotteshaus als die „belebteste Kirche in Nettetal“. Der Förderverein Alte Kirche gründete sich 2011, als das Bistum Aachen die Kirche auf die rote Liste setzte und ihre Finanzierung einstellte. Mit den Beiträgen der 200 Vereinsmitglieder, mit Einzelspenden und einigen öffentlichen Zuschüssen stelle der Verein finanziell sicher, „dass hier Leben stattfindet“, sagt Rütten. Der Verein ist eine „Geldsammelmaschine“, so Rütten. Alles, was mit den Geldern des Vereins angeschafft wird, bleibe im Besitz der Pfarrgemeinde. Der Verein entwickelte eine weitere kreative Idee, damit Besucher der Alten Kirche wieder festen Boden unter den Füßen haben: Am zweiten Adventswochenende verkaufen die Mitglieder „Boden-Lose“ in der Kirche. Für die Gewinner gibt es Preise in Form von Kerzen oder Karten für die Kulturveranstaltungen.