Aufregung im Kreis Viersen Tierschützer zeigen den Kreis Viersen an

Kreis Viersen. · Zwei Tierschützer haben den Kreis Viersen angezeigt. Sie werfen ihm einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vor. Er soll das Erschießen von zwei Schnappschildkröten geplant haben. Der Kreis dementiert: Die Tiere leben. Wie er das Problem der eingeschleppten Art lösen will.

Am Wittsee in Nettetal wurden bereits öfter Schnappschildkröten eingesammelt.

Foto: BSKS Jürgen Schwirk

Bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach liegt eine Strafanzeige gegen den Kreis Viersen und dessen Dienstherren, Landrat Andreas Coenen (CDU), vor. Zwei Naturschützer, der Tierarzt Markus Baur aus München und Uwe Ringelhan, Leiter des privaten Terrazoos in Rheinberg, erheben den Vorwurf, dass der Kreis „erheblich und vorsätzlich gegen das Tierschutzgesetz“ verstoßen habe.

Sie werfen dem Kreis „brachiale Wildwest-Methoden“ vor. So soll ein Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde am 1. Juli zwei amerikanische Schnappschildkröten bei einem Sachverständigen abgeholt haben, um sie erschießen zu lassen. Die Tierschützer kritisieren diesen Plan: Laut Baur, der über Schildkröten-Anatomie promoviert hat, sei ein gezielter Todesschuss bei Schnappschildkröten schwer möglich: „Das Gehirn ist zu klein und schwer zugänglich“, sagt der Tierarzt und Leiter der Auffangstation für Reptilien. Stattdessen würden die Tiere „vielleicht irgendwann an den Folgen sterben“. Zudem könnten sie mit ihrem vegetativen Nervensystem eine Schussverletzung für einige Zeit überleben.

Umgang mit ausgesetzten Schildkröten soll geklärt werden

Die beiden Kläger zweifeln auch die rechtliche Grundlage an, nach der die amerikanische Schnappschildkröte als „invasive Art“ getötet werden könne. „Durch eine Klage will ich zudem erreichen, dass geklärt wird, wer beim Umgang mit ausgesetzten Schnappschildkröten oder Eindämmungsmaßnahmen die Kosten tragen muss“, sagt Baur. Er sieht dabei den Bund in der Pflicht und nicht die Kommunen.

Beim Kreis Viersen ist „die Möglichkeit einer Anzeige bekannt“, erklärt Philippe Niebling vom Amt für Bauen, Landschaft und Planung beim Kreis Viersen. „Seitens der Staatsanwaltschaft ist die Anzeige nicht an uns herangetragen worden.“ Allerdings ist der Vorwurf der Tötung nicht haltbar: Laut Kreis hätten seine Mitarbeiter keine amerikanischen Schnappschildkröten getötet. „Die beiden Tiere wurden sichergestellt“, sagt Niebling. Zurzeit seinen sie bei zwei Züchtern untergebracht, die für die eigentlich verbotene Haltung eine Ausnahmegenehmigung erhalten hätten, so Kreis-Sprecherin Anja Kühne. Langfristig werden die Tiere in eine andere Einrichtung, die sich im Kreis Viersen befindet, umziehen. Dort müsse laut Kühne erst noch ein artgerechtes Gehege errichtet werden.

Kreis: Schildkröten haben sich im Wittsee massiv ausgebreitet

Am Wittsee in Nettetal hätten sich die eingeschleppten amerikanischen Schnappschildkröten, die aus wärmeren Gefilden wie Florida stammen, seit den 1990er Jahren massiv ausgebreitet. Die Tiere würden im flachen, warmen Wasser einen idealen Lebensraum vorfinden, so die Kreissprecherin. Natürliche Feinde wie etwa Alligatoren fehlten: „Wie hoch die Schildkröten-Population am Wittsee tatsächlich ist, darüber können wir nur spekulieren“, so Philippe Niebling. Ein Schildkröten-Weibchen lege aber 70 bis 80 Eier.

Seit dem Jahr 2013 sind knapp 40 Tiere rund um den See gefunden und anschließend in den Terrazoo in Rheinberg gebracht worden. Und das ist teuer: „Das kann pro Tier schon mal bis zu tausend Euro kosten“, so Anja Kühne. In den vergangenen fünf Jahren sei ein „mittlerer fünfstelliger Betrag“ investiert worden, um die fremden Tiere wieder aus dem See zu entfernen.

„In der Abwägung zum weiteren Vorgehen wurden alle Möglichkeiten berücksichtigt. Und eine dieser Möglichkeiten ist die Tötung“, sagt Philippe Niebling. Diese spiele aber jetzt keine Rolle, da die Tiere im Kreis weiter artgerecht gehalten werden sollen. In Zukunft sollen aufgefundene Tiere aus dem Wittsee entnommen und in die neue Einrichtung gebracht werden. Warum der Kreis die Schnappschildkröten-Population noch beschränken will: „Die Tiere stellen eine Gefahr für heimische Tierarten dar“, so Niebling. Da sie keine Fressfeinde hätten, könnten sie ganze Populationen heimischer Vögel, die am Boden brüten, zerstören.

Ausgewachsene Tiere könnten auch Menschen im Naherholungsgebiet gefährlich werden. „Das Tier zu streicheln oder gar hochzuheben würde zu erheblichen Bissverletzungen, im Extremfall auch zu abgetrennten Fingern, führen“, warnt Niebling.

Da der Wittsee im Natur-/Landschaftsschutzgebiet liege, seien dort artenschutzrechtliche Aspekte stärker zu berücksichtigen als etwa in einem städtischen Weiher. Bereits 2018 hatten die Fachleute der Bio-Station Krickenbecker Seen vor den Gefahren durch Schnappschildkröten gewarnt: Sie würden durch ihr Fressverhalten das ökologische Gleichgewicht stören und könnten Menschen gefährlich werden.