Künstler aus Viersen Krippenszene eines zu früh Gestorbenen

Viersen. · Der Süchtelner Künstler Hermann Schmitz starb 1931 im Alter von nur 27 Jahren.

Die aquarellierte Federzeichnung trägt den Titel „Anbetung der Hirten“. 

Foto: Sabine Janssen

Dieses Jesuskind hat keinen Heiligenschein. Es braucht ihn auch nicht. Ebenso wenig wie die Muttergottes. Der Künstler hat den Kopf der Maria in Licht gehüllt. Von dort strahlt es aus und erhellt das Christkind in der Krippe und auch den davor stehenden Hirtenjungen, der mit großen Augen auf das Baby blickt. Beide Kinder haben feine Gesichter. Die Hirten sind erdig, von der harten Arbeit gezeichnet. Irgendwie erinnern sie an niederrheinische Bauern. Das ist kein Zufall. Der Maler der Weihnachtsszene kommt aus Viersen-Süchteln.

Hermann Schmitz (1904-1931) stammte aus einer kinderreichen Süchtelner Familie. An ihrem damaligen Wohnhaus an der Ecke Lindenplatz/ Tönisvorster Straße ist heute eine Gedenktafel angebracht. Vater Conrad (1875-1950) betrieb eine Devotionalienfabrik und war ein renommierter Heimatmaler. Hermann kam als zweites von elf Kindern zur Welt. Er und sein älterer Bruder Hugo (1903-1965) malten. „Häufig standen die jüngeren Geschwister Modell für Skizzen und Bilder. An ihnen studierte er kindliche Gesichtszüge“, erzählt Jutta Pitzen, Leiterin der Städtischen Galerie, die 2004 zum 100. Geburtstag des Malers ein Buch in der Reihe „Viersen – Beiträge zu einer Stadt“ geschrieben hat. Hermann Schmitz malte etwa seinen Bruder Josef in „Junger Mann im Clownkostüm“. Der junge Harlekin blickt nachdenklich-skeptisch drein und vermittelt so gar keine närrische Fröhlichkeit.

Gegen den strengen Vater setzte Hermann Schmitz durch, dass er von 1919 bis 1922 die Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Krefeld besuchte. Er lernte den kunstinteressierten Pfarrer Augustinus Winkelmann kennen, der erst in Nieukerk bei Geldern und ab 1924 in Marienthal bei Wesel lebte, wirkte und zahlreiche Künstler unterstützte. Für Schmitz wurde er zum väterlichen Freund, der ihn nach Käften förderte. In den Studienjahren und bei seinen Aufenthalten im Kloster Marienthal lernte Schmitz Ewald Mataré, die rheinischen Expressionisten Heinrich Nauen und Heinrich Campendonk kennen. Auch die Werke von August Macke beeinflussten ihn. Befreundet war er mit den Studienkollegen Hans Lünenborg und Wolf von Beckerath.

Schmitz konnte von seiner Kunst nicht leben und ist verhungert

1927 erkrankte Schmitz an Tuberkulose. Mit Unterstützung von Pfarrer Winkelmann reiste er in die Schweiz zu Kuren. Doch Schmitz konnte in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten von seiner Kunst nicht leben. Er war arm und sehr krank. Am 4. November 1931 starb er in seinem Elternhaus. „Er ist buchstäblich verhungert, eine tragische Gestalt“, sagt Jutta Pitzen, die den Süchtelner Maler sehr schätzt. Schmitz galt schon zu seiner Zeit als großes Talent. Das bescheinigte ihm auch sein damaliger Nachbar Albert Vigoleis Thelen. Der Journalist und Schriftsteller schrieb über seinen Jugendfreund, dass seine Bilder „von glückhaft-froher Frische“ seien. Kunsthistoriker Walter Kaesbach nannte Schmitz „die Begabung der rheinischen Malerei“.

Der Süchtelner hinterlässt ein vielfältiges Werk. Es umfasst rund 400 Bilder, Zeichnungen und Skizzen, darunter Selbstporträts, Kinderbildnisse, Naturstudien, Alltagsszenen und gut 40 religiöse Szenen.

Der Einfluss des Expressionismus und die Nähe zu August Macke zeigen sich etwa in dem Bild „Die Ankunft des Bischofs“ (1924), das farbenfroh den Jubel der Bevölkerung zeigt, während der Bischof mit der Kutsche durch die Straße fährt. Das fromme Motiv erhält durch die stilisierten, gesichtslosen Figuren Distanz. Als Anekdote wird auch überliefert, dass Schmitz‘ Oma ihr Porträt zerriss, weil sie es „so schrecklich modern“ fand. „Im Nationalsozialismus wären seine Arbeiten vermutlich als „entartete Kunst“ verboten worden“, meint Pitzen.

 Anders als andere religiöse Szene ist die „Anbetung der Hirten“ traditionell. Der ärmliche Stall, die strahlende Maria und ihr Kind, die bäuerlichen Hirten mit ihren verklärten Gesichtern. Nur ein Detail passt nicht: Im Hintergrund steht ein Mann, der nicht ehrfürchtig den Hut abgenommen hat. Er hat die Arme hinter dem Rücken verschränkt und wirkt seltsam unbeteiligt an dem heiligen Geschehen.