Kreis Viersen: Viele erkranken an der Seele

Gesundheit: Die Analyse der Fehltage der im Kreis Beschäftigten fördert erschreckende Tendenzen zu Tage

Kreis Viersen. Auf den ersten Blick ist die Entwicklung erfreulich. Der Krankenstand der Beschäftigten im Kreis Viersen ist im ersten Halbjahr 2010 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gleich geblieben. Das zeigen die Zahlen der AOK Rheinland, die gestern veröffentlicht wurden. "Die anderen Kassen kommen zu den gleichen Ergebnissen", sagt Manrico Preissel, der stellvertretende Regionaldirektor. Der Gesamtkrankenstand lag in beiden Jahren bei 5,65 Prozent.

Bei genauerer Betrachtung aber stimmen die Zahlen bedenklich: Die Zahl der Erkrankungen nimmt zwar ab, aber die Menschen sind länger krank. Die Zunahmen fallen in den Bereich der Muskel- und Skeletterkrankungen, worunter man vor allem Menschen mit Rückenerkrankungen zusammenfasst.

Das kommt vor allem in den vielen Betrieben der Baubranche vor, gefolgt von öffentlich Beschäftigten, die körperlich arbeiten müssen, wie etwa in Grünflächenämtern. Danach kommen Mitarbeiter der stationären Alten- und Krankenpflege gefolgt von Gießereien. Jede siebte Frau und jeder fünfte Mann fehle im Schnitt drei Mal im Jahr wegen Rückenschmerzen.Besorgniserregend sei besonders die Zahl derer, die psychisch erkranken (etwa an Depressionen).

2006 fehlten deswegen 2,36 Prozent der Beschäftigten 24,6 Tage lang. 2010 waren es 3,53 Prozent mit 27,3 Fehltagen, die Zahl der gemeldeten Arbeitsunfähigkeitstage verdoppelte sich nahezu (von 58,07 auf 96,42).


Eine Ursache dafür ist bereits ausgemacht: "Die Versorgungslage ist unbefriedigend", sagt Manrico Preissel. Es dauere viel zu lange, bis ein Patient beim richtigen Therapeuten einen Termin bekomme, die Sitzungen fänden dann in einem vier- bis sechswöchigen Turnus statt. "Auf eine Reha in dem Bereich wartet man in der Regel sechs bis acht Monate", so Preissel.

Gregor Mertens vom Institut für betriebliche Gesundheitsförderung der AOK ergänzt: "Und bei den meisten zeigten sich vorher bereits Rückenschmerzen." Bei dieser Krankheit seien psychosomatische Ursachen sehr häufig. Sein Institut berät rund 140 Betriebe im Kreis in Sachen Gesundheitsförderung. "In den Betrieben erreicht man dann auch die Menschen, die nicht von sich aus einen Sportkurs besuchen", sagt er.
Im Zuge des drohenden Fachkräftemangels sei es für die Betriebe auch wichtig, die Mitarbeiter nach längerer Krankheit wieder gut in den Betrieb einzugliedern. Mertens: "Es kommt nicht nur auf das richtige Produkt und das richtige Marketing an, wenn ein Betrieb Erfolg haben will, sondern auch auf die Mitarbeiter."