Krieg beutelt Partnerstadt Kanew
Fritz Meies berichtet von seinem Aufenthalt in der Ukraine.
Viersen. Normalerweise umspielt ein Lächeln das Gesicht von Fritz Meies, wenn er aus Kanew zurückkommt und er von der durch den Verein „Freunde von Kanew“ geleisteten Arbeit berichtet. Die Hilfe vor Ort sei nach wie vor in hervorragender Art und Weise gegeben, doch die Freude darüber werde vom Kriegsgeschehen überschattet. „Die Menschen dort sind trotz ihrer Armut ein fröhliches und unbeschwertes Volk, aber jetzt ist die Stimmung gedrückt. Der Krieg zeigt seine Auswirkungen jetzt auch in Kanew“, sagt Meies.
Er nimmt zur Erläuterung das Foto eines 19-jährigen Mannes in die Hand. Dieser liegt traumatisiert in einem Krankenbett. Wo einst die rechte Hand samt Unterarm war, ist nur noch ein Stumpf, der in Mullbinden gehüllt ist. In der Ost-Ukraine wurde ihm seine Hand sowie der halbe Unterarm weggeschossen. Mehr als 200 junge Männer aus Kanew sind in den Krieg gezogen.
Neun sind bereits gefallen und viele andere schwer verletzt worden. Auch an anderen Stellen wirkt sich das Kriegsgeschehen aus: Die Inflationsrate liegt bei nunmehr 60 Prozent, der Preis für Benzin hat sich verdoppelt, so dass man kaum noch Fahrzeuge auf den Straßen sieht. Alles ist teurer geworden, Löhne und Renten dagegen sinken. „Es trifft gerade die alten Menschen, die auch unsere Altenstube besuchen. Sie können ihre Medikamente nicht mehr kaufen, weil das Geld nicht reicht“, sagt Meies.
Der Vorsitzende der Freunde von Kanew erlebte zudem die Stromsperre am eigenen Leib. Morgens zwischen 7 und 9 Uhr, mittags von 11 bis 14 Uhr und abends von 17 bis 20 Uhr wird der Strom in Kanew und Umgebung abgeschaltet. Der Grund: Die Kohle für die Kraftwerke kommt aus der Ost-Ukraine und wird derzeit nicht mehr geliefert. Kerzen sind mittlerweile Mangelware in Kanew. „Die ganze Situation wirkt sich auf die Gemüter der Menschen aus“, sagt Meies.
Er erlebte aber auch Erfreuliches in Kanew. Der Neubau des Krankenhauses ist in Betrieb genommen worden. In der ersten Etage arbeitet eine Ambulanz und in der dritten Etage ist eine Tagesklinik zu finden, die nach mitteleuropäischen Standards arbeitet. „Ohne die Unterstützung aus Viersen wäre das nicht möglich“, so Meies.
96 Sessel aus dem Altbau des AKH Viersen, die aufgearbeitet wurden, zieren die Wartebereiche und dank einer großen Spende des Lion Clubs Viersen konnten weitere Möbel angeschafft werden. Meies und seine Mitstreiter freuen sich, dass die Viersener eine so große Anteilnahme an der Situation in Kanew zeigen und den Verein unterstützen. Denn ohne diese Hilfen wären die Lebensumstände der Bürger in Kanew wohl noch schlimmer.