Jugendtelefon im Kreis Viersen Kinderschutzbund sucht Verstärkung

Kreis Viersen · Rund 11.000 Anrufe bei der „Nummer gegen Kummer“ erreichten die Berater 2020 — deutlich mehr als im Jahr zuvor.

Das Kinder- und Jugendtelefon ist ein Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ in Kooperation mit Organisationen wie dem Kinderschutzbund.

Foto: Kinderschutzbund Düsseldorf

Mal geht es um Liebeskummer. Mal um den Verlust eines geliebten Haustieres, den Streit mit den Eltern, Ärger in der Schule. Und mittlerweile geht es in den Gesprächen, die Telefonberater der „Nummer gegen Kummer“ ehrenamtlich mit Kindern oder Jugendlichen führen, auch immer öfter um Corona. „Die Telefone klingeln ohne Ende“, sagt Birgitta Föhr. Die 66-Jährige koordiniert für den Kinderschutzbund Viersen alles rund um das Kinder- und Jugendtelefon am hiesigen Standort. Das Problem: Es gibt zu wenig Telefonberater, „wir haben Lücken im Dienstplan“, sagt sie. „Deshalb müssen wir ausbilden“, ergänzt Föhr. Derzeit sucht sie Ehrenamtliche, die sich – voraussichtlich ab September – als Telefonberater schulen lassen möchten. Zum zweiten Mal bieten die Ortsgruppen Viersen und Kempen des Kinderschutzbundes die Ausbildung gemeinsam an.

Das Kinder- und Jugendtelefon ist ein bundesweites Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ in Zusammenarbeit mit verschiedenen Mitgliedsorganisationen wie dem Kinderschutzbund. Wer mit seinem Handy oder Festnetztelefon die kostenlose Nummer 116111 wählt, erreicht montags bis samstags zwischen 14 und 20 Uhr kostenlos einen Telefonberater irgendwo in Deutschland. „Das ist völlig anonym“, betont Elke Keppner vom Vorstand des Kempener Kinderschutzbundes. Knapp 80 Telefon-Standorte gibt es derzeit, dazu gehören Kempen und Viersen.

Birgitta Föhr (l.) vom Kinderschutzbund Viersen und Elke Keppner vom Kinderschutzbund Kempen suchen neue Telefonberater.

Foto: Nadine Fischer

Rund 11 000 Mal hat im vergangenen Jahr an den Standorten Kempen und Viersen das Berater-Telefon geklingelt: 5495 Mal in Viersen, 5569 Mal in Kempen. Im Jahr 2019 gab es deutlich weniger Anrufe, insgesamt rund 7100 – davon 2661 in Kempen, 4445 in Viersen. Die Entwicklung hänge sicher auch mit der Corona-Pandemie zusammen, vermutet Föhr. „Am Anfang der Corona-Zeit gab es nicht so viele Anrufe zu dem Thema, aber jetzt mehren sie sich“, erzählt sie. „Es geht um Langeweile, Umgang mit dem Homeschooling, Probleme mit den Eltern, die jetzt auch genervt sind von der Situation, Einsamkeit und Gewalt in den Familien.“

In solchen Fällen könne ein Telefonberater „einfach nur zuhören“. Ob er selbst Kinder hat, ob er alt oder jung ist und welchen Beruf er hat, ist völlig unwichtig. Wichtig ist, dass er die Kinder und Jugendlichen, die sich mit ihren Sorgen an ihn wenden, ernst nimmt. Dass er ihnen eben zuhört, wenn sie einfach mal etwas loswerden möchten, wenn sie verzweifelt sind, nicht mehr weiterwissen. „Es geht nicht um eine perfekte Lösung, das soll Hilfe zur Selbsthilfe sein“, sagt Föhr.

Telefonberater müssen
psychisch belastbar sein

Die Ausbildung zum Telefonberater umfasst 60 Unterrichtsstunden. „Eine besondere Vorbildung ist keine Voraussetzung für die künftige Beratertätigkeit“, sagen Föhr und Keppner. „Wer mitarbeiten möchte, sollte mindestens 18 Jahre alt sein, sich gerne ehrenamtlich engagieren, Kindern und Jugendlichen zur Seite stehen wollen, einfühlsam und psychisch belastbar sein“, erläutern sie. „Außerdem sollte ein Berater neugierig und tolerant gegenüber anderen Meinungen, Kulturen und Religionen sein und Freude daran haben, anderen zu helfen.“ Auch Männer seien gefragt, „denn bundesweit sind nur elf Prozent der Berater männlich, aber fast fünfzig Prozent der Anrufer Jungen“.

Voraussichtlich von September bis Februar wird ausgebildet, einmal wöchentlich von 18 bis 20 Uhr. „Wir versuchen, das Anfangs- und das Schlusswochenende in Präsenz stattfinden zu lassen, auch einige Abende, aber es ist auch möglich die ganze Ausbildung online durchgeführt wird“, sagt Föhr. „Das hängt von der Corona-Situation zu diesem Zeitpunkt ab“, ergänzt sie.

Die angehenden Telefonberater lernen zum Beispiel in Rollenspielen, wie sie mit den Anrufern umgehen, erfahren, welche Themen viele Kinder und Jugendliche bewegen. Auch zwei Hospitanz-Schichten in der Beratungsstelle gehören zur Schulung. Für die Teilnehmer ist sie gratis – die Kinderschutzbund-Gruppen Viersen und Kempen teilen sich die Kosten in Höhe von 6000 Euro. Das Ziel sei, gemeinsam rund 20 neue Telefonberater ausbilden zu können, sagt Föhr.

Alle zwei Jahre lässt der Kinderschutzbund neue Ehrenamtler schulen. Jeder Lehrgang kostet 6000 Euro, egal ob er fünf oder 15 Teilnehmer hat. 2019 hätten in Kempen sechs Ehrenamtler, teilgenommen, sagt Keppner. Um Kosten zu sparen, sei damals beschlossen worden, sich mit Viersen zusammen zu tun. Am Standort Viersen ließen sich 2019 elf Berater schulen. „Insgesamt haben wir in Viersen derzeit 18 Berater. Einer sprang wegen der Corona-Pandemie ab“, erzählt Föhr. Um die Berater während ihrer Schicht zu schützen, würden Hygieneregeln eingehalten, es gebe zum Beispiel Luftreiniger im Beratungsraum und Desinfektionsmittel. Während seiner Schicht ist der Berater alleine im Raum.

Das Kinder- und Jugendtelefon in Viersen ist montags bis freitags in zwei Schichten von 15 bis 20 Uhr besetzt, in Kempen jeweils von etwa 17 bis 20 Uhr. Wer sich dafür entscheidet, Berater zu werden, verpflichtet sich, für zwei Jahre zweimal im Monat zweieinhalb Stunden Telefondienst zu übernehmen. Aufgabe des Beraters sei, den Anrufer mental zu unterstützen, ihn falls nötig an eine Fachstelle weiterzuleiten wie einen psychologischen Dienst oder eine Schwangerschaftsberatung, erklärt Föhr. Wie lang so ein Telefonat dauert, sei sehr unterschiedlich. An manchen Tagen führe der Berater wenige Gespräche, die jeweils länger dauern – es könne in einer Schicht aber durchaus auch 60 Mal das Telefon klingeln.