Ausstellung „Farben-Leere“ von Lieselotte Wienand Durch Kunst aus dem tiefen Loch

Willich. · 2013 erhielt Lieselotte Wienand die Diagnose Demenz. Ihre Malerei half ihr bei der Verarbeitung. Jetzt zeigt sie ihre Werke in der Ausstellung „Farben-Leere“ in Willich.

Lieselotte Wienand (Mitte) zeigt in der Volksbank-Filiale an der Hülsdonkstraße ihre Werke im Rahmen der von Beate Krempe initiierten Reihe „Denk Mal“. Michael Dieker von der Volksbank stellte die Räume zur Verfügung.

Foto: Wolfgang Kaiser

Das Bild „Zweisamkeit“ lässt die Besucher innehalten. Vor einem dunklen Hintergrund sind zwei sich umarmende Menschen zu sehen. Eine Mimik ist nicht zu erkennen, denn der Betrachter sieht lediglich den Hinterkopf eines Menschen, an dessen Schulter sich der Kopf einer zweiten Person schmiegt. Doch die anrührende Umarmung spricht für sich, zumal in der Hand einer der beiden Personen ein Herz zu sehen ist. Ein Stückchen daneben explodieren die Farben. Unter dem Titel „Gedankenlos“ sind fünf Frauen in eleganten Abendkleidern zu sehen, die nahezu in Glanz und Glimmer ertrinken. Es sind nicht nur eindrucksvolle Bilder – auch die Künstlerin ist eine besondere Frau. „Lieselotte Wienand selbst ist dement und hat über die Malerei einen Weg gefunden, einen neuen Abschnitt ihres Lebens aktiv und positiv zu gestalten“, sagt Michael Dieker von der Volksbank Willich, der die Besucher begrüßt, die sich zu der Vernissage im Foyer der Volksbank eingefunden haben. Im Rahmen des Demenzprojektes „Denk Mal“ ist die Ausstellung der Neusser Künstlerin in Willich angelaufen.

Im Jahr 2013 erhielt Wienand die Diagnose Vaskuläre Demenz, die nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste Form von Demenz ist. Für die damals 62-jährige Frau brach eine Welt zusammen. „Es war ein Schock. Mit einem Schlag war ich ganz unten, und die Welt war schwarz“, erzählt sie, während sie neben ihrem Werk mit dem Namen „Frühling“ steht. In der Tagesklinik hält sie kurze Zeit später Stifte in der Hand und stellt fest, dass sie sich und ihre Gefühle durch Bilder auf eine andere Art und Weise ausdrücken kann. Wienand will den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern stellt sich ihrer Erkrankung auf einem anderen Weg. Zum Geburtstag wünscht sie sich Leinwände, Pinsel und Farben. Sehr zum Erstaunen ihrer Familie, denn künstlerisch hat sie sich noch nie betätigt.

In der Nacht nach ihrem Geburtstag malt sie ihr erstes Bild in einer Farbkomposition von beigen, gelben sowie braunen Tönen und bekommt von Ehemann und den erwachsenen Kindern am nächsten Tag die Frage gestellt, ob sie das gemalt habe. Sie hatte – und malt noch viel mehr.

„Wenn es etwas Gutes an der Demenz gibt, ist es die Tatsache, dass ich darüber zur Malerei gekommen bin“, sagt Wienand. Die 68-Jährige malt überwiegend nachts. Ein fertiges Bild hat sie dabei nie im Kopf. Sie stellt lediglich die Farben zusammen, und erst während sie anfängt zu malen, entsteht das Bild und erhält später einen Titel. „Ich male nicht, was ich sehe, sondern was ich fühle“, sagt Wienand.

Ihre Bilder laden zum Verweilen und Nachdenken ein. Da ist es die sich spiegelnde Skyline in „Träumerei“ oder die „Eiszeit“, bei der einzelne angedeutete Personen wie festgefroren im Bild zu stehen scheinen. Ein in ein Bild eingearbeiteter Schlüssel, dazu ein Stückchen Papier, das wie aus einer Seite herausgerissen scheint und den Inhalt trägt „Zu Hause ist kein Ort, zu Hause ist ein Gefühl“ lassen den Betrachter innehalten. Große und kleine Leinwände, allesamt in Acryl gemalt, aber in verschiedenen Stilrichtungen, bestimmen auf Staffeleien das Bild im Foyer der Volksbank.

Wie sehr ihre Familie hinter ihr steht, zeigt sich bei der Vernissage. Nicht nur ihr Mann begleitet sie, sondern auch Sohn Sascha und seine Frau Julia Hösdorff. Die beiden tragen zudem zusammen mit Torsten Sallach das eigens komponierte Lied „Farben-Leere“ vor. „Das niemals Aufgeben, wie es im Lied heißt, wird durch dich und deine Familie wiedergegeben. Hier wird offen mit der Demenz umgegangen, und genau diesen offenen Umgang möchten wir mit dem Demenzprojekt ,Denk Mal’ anregen“, betont Beate Krempe, die „Denk Mal“ federführend ins Leben gerufen hat.

Wienand verdeutlicht bei der Ausstellungseröffnung, wie wichtig es ihr ist, über die Demenz zu sprechen und ernst genommen zu werden. Zudem wünscht sie sich für alle Menschen mit Demenz eine verbesserte Betreuung.