Bundesfreiwilligendienst: Freiwillige verzweifelt gesucht
Die Zivildienstleistenden fehlen in Seniorenheimen und Krankenhäusern. Es melden sich nicht ausreichend engagierte Menschen als Ersatz.
Willich/Tönisvorst. Die Krankenhäuser oder Seniorenheime können bei der positiven Bilanz von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder bei der Einstellung der Bundesfreiwilligendienstler, kurz „Bufdi“ genannt, nur den Kopf schütteln.
Die jungen Leute fehlen an allen Ecken, wie jetzt eine Umfrage der WZ ergab. „Den großen Run vermissen wir bitterlich“, sagt die Geschäftsführerin der „Altenhilfe Stadt Willich“, Rita Peitz. Auch sie sucht händeringend Bufdis oder junge Leute, die das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) absolvieren möchten.
Damals, als es noch die Zivis gab, waren im Schnitt drei bis vier für die Altenhilfe tätig, halfen den Senioren in Haus und Garten, fuhren sie zu Ärzten oder Behörden. „Jetzt haben wir einen 20-Jährigen, der auf einen Ausbildungsplatz wartet“, sagt Rita Peitz. Einen Zweiten mussten sie wegen Unzuverlässigkeit wieder nach Hause schicken: „Der ist zu einigen Einsätzen überhaupt nicht hingefahren.“
Drei 400-Euro-Kräfte habe man einstellen müssen. „Es sieht mehr als bescheiden aus“, sagt der Personalchef des Tönisvorster Antoniuszentrums, Andreas Schönleber. Derzeit arbeiten in den drei Einrichtungen (Krankenhaus, Seniorenheime in St. Tönis und Vorst) drei Bufdis und fünf FSJler. Zu besten Zeiten waren es bis zu fünfzehn Zivis und ein halbes Dutzend FSJler gewesen.
In der nächsten Woche käme zwar jemand im Krankenhaus dazu, aber weitere Bewerbungen liegen nicht vor. Schönleber: „Es ist für unsere Betreuten sehr schade, dass die Resonanz so gering ist.“
Teilweise habe man bestimmte Abläufe straffer organisieren müssen oder ebenfalls 400-Euro-Kräfte eingestellt. „Das Interesse, in den pflegerischen Berufen zu arbeiten, nimmt offenbar immer mehr ab“, bedauert Jutta Hartmann, Leiterin des St. Töniser Seniorenheimes. Früher waren dort sechs, heute nur noch zwei Menschen im Einsatz. Die meisten der Bufdis kämen, um sinnvoll die Zeit bis zum Beginn des Studiums oder der Ausbildung überbrücken.
Das ist auch bei dem 16-jährige Vorster Dominik Thieme der Fall: „Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Auch, weil die älteren Herrschaften sehr nett sind.“ Er hat im Seniorenheim Kandergarten in Vorst nach seiner Mittleren Reife am 1. August sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) begonnen. Schluss ist am 30. Juli. Und da ihm die Arbeit sehr gefällt, steht für Dominik fest: „Es geht jetzt in Richtung Pflege.“
Mit ihm arbeitet auf der Station der 20-jährige Sascha Hetzger. Der St. Töniser, der sein Fach-Abi in der Tasche hat, macht den Bundesfreiwilligendienst. „Bevor ich bis zum Beginn des Studiums zu Hause rumsitze, habe ich mich dafür entschieden“, gibt er unumwunden zu. Und ergänzt: „Eigentlich wollte ich ja Kunst studieren.“ Allerdings gefällt ihm die Arbeit so gut, dass er jetzt anderes vor hat. Sascha: „Ich werde versuchen, mich an der Fachhochschule Niederrhein für „Soziale Arbeit“ einzuschreiben.“
Solch engagierte Menschen sucht auch der Malteser Hilfsdienst in Willich. „Derzeit habe wir drei Bufdis und einen FSJler“, sagt der Stadt-Beauftragte Kurt Schumacher. Er kann von der „guten alten Zeit“ mit bis zu 18 Zivis nur träumen. Die vielen Betreuungen machten beim MHD die Einstellungen von zahlreichen geringfügig Beschäftigten notwendig. „Derzeit sind dies insgesamt 46 Kräfte.“ Schumacher spricht weiter von einer enormen Kostensteigerung, die aber nicht nur den MHD betrifft: „Den anderen karitativen Einrichtungen geht es genauso.“
In der nächsten Woche kämen wohl zwei Neue hinzu. Und es haben sogar zwei über 50 Jahre alte Willicher ihre Bereitschaft erklärt, ebenfalls den Bundesfreiwilligendienst bei den Maltesern zu machen. Ein Höchstalter gibt es nämlich hierfür nicht. Fehlanzeige, was die Einstellung von Bufdis und FSJlern betrifft, meldet für das Willicher Katharinen-Hospital die Pressesprecherin der Augustinus-Kliniken, Vera Thaller. In den Vorjahren seien es vier bis fünf Zivis gewesen. Die letzten zwei seien bereits im Januar 2011 ausgeschieden.
Und auch beim Schiefbahner Hilfswerk „Mission und Leprahilfe“ muss jetzt effizienter geplant werden. Hier hat der zuletzt verbliebene Zivi Ende Mai aufgehört. „Die Suche nach einem Nachfolger ist sehr schwierig“, sagt Geschäftsführerin Stefanie Krass.