Chefarzt Dr. Ormann „freigestellt“

Eine Stunde Zeit blieb dem Chefarzt, um seine Sachen zu packen.

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Willich. Erich Rauthe war am Donnerstag mit seiner Frau im Katharinen-Hospital: Sie sollte von Dr. Walter Ormann, Chefarzt der Inneren Medizin, untersucht werden. Den ganzen Vormittag ließ sich aber niemand blicken. Herr Rauthe suchte deshalb den Arzt, fand ihn schließlich auch — und erfuhr von ihm: „Ich muss das Krankenhaus innerhalb einer Stunde verlassen.“ Ein Oberarzt sollte die Untersuchungen übernehmen.

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Die WZ versuchte, den Ärztlichen Direktor im Hospital zu erreichen. Sein Sekretariat konnte aber nur mitteilen: „Er ist nicht mehr im Hause.“ Später erklärte Ormann selbst gegenüber unserer Zeitung, im Moment könne er nicht mit der Presse reden.

Auf Nachfrage bei der Pressestelle der Neusser St. Augustinus-Kliniken erklärte Christina Jacke: „Er ist nicht entlassen, sondern freigestellt worden.“ Wenig später traf eine schriftliche Erklärung der Kliniken dazu ein. Darin heißt es wörtlich: „Wir bestätigen die Freistellung von Dr. Walter Ormann, dessen medizinische Aufgaben nun planungsgemäß mit der Beendigung der Versorgung im Katharinen-Hospital ihren Abschluss finden. Die St. Augustinus-Kliniken bedanken sich an dieser Stelle für die langjährige, verantwortungsvolle Tätigkeit, die Dr. Ormann als Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Fachabteilung Innere Medizin für das Katharinen-Hospital geleistet hat.“ Weitere „Spekulationen“ könne man nicht bestätigen.

„Ich bin entsetzt“, reagiert Hans Kothen, ehemaliger Verwaltungsdirektor des Hospitals. Anlass des kurzfristigen Rausschmisses sei wohl ein Artikel gewesen, der gestern in einer Zeitung erschienen sei. Darin hatte sich Ormann kritisch zur Schließung des Hospitals geäußert. Schon in der vergangenen Woche nach einem ähnlichen Artikel in der WZ habe der Mediziner von den Augustinern eine „Warnung“ bekommen.

„Ormann war der medizinische Leistungserbringer“, sagt Hans Kothen. Gestern hätten ihm die Beschäftigten unter Tränen geholfen, seine Sachen zu packen. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Angestellten“, so Kothen. „Das ‘Wie’ stößt ganz sauer auf.“ Dabei wäre am Montag sowieso Schluss gewesen, Ormann hatte fristgerecht seine Kündigung bekommen. Er ist seit 23 Jahren im Katharinen-Hospital.

Ähnlich entsetzt wie Hans Kothen zeigt sich Bürgermeister Josef Heyes. „Wo ist hier die christliche Verantwortung des Trägers für einen Mann, der mehr als 20 Jahre für das Hospital gearbeitet hat?“, fragt er — und schiebt eine massive Kritik an den St. Augustinus-Kliniken hinterher: Diese hätten auf Kosten Willichs den „Markt der Krankenhausbetten“ zu ihren Gunsten bereinigt. Dass aber auch kleine Krankenhäuser überlebensfähig seien, zeige das Beispiel Tönisvorst.

Der „Rausschmiss“ von Dr. Ormann hat laut Heyes auch aus anderer Sicht fatale Folgen: „Er sollte ja eigentlich seine internistische Praxis in den Hospitalräumen fortsetzen und Ende nächsten Jahres in das neue Facharztzentrum wechseln. Der Plan ist jetzt wohl zerbrochen.“

Besagtes Facharztzentrum mit 24-Stunden-Notfall-Ambulanz soll nach Plänen der Stadt an der Anrather Straße angesiedelt werden. Nach Auskunft des Bürgermeisters gibt es mehrere interessierte Investoren. Zurzeit läuft die europaweite Ausschreibung für Notarzt und Rettungsdienst. Den bisherigen Vertrag mit den Augustinus-Kliniken hat die Stadt gekündigt. „Bis 1. September müssen wir dem Nachfolger die Zusage gegeben haben, dass er ab 1. Januar übernehmen kann“, infoermiert Josef Heyes.