Demonstration gegen Rechtsextremismus Tönisvorst sendet klares Zeichen für Demokratie

St. Tönis · Die Liste der Städte, die ein deutliches Signal für Demokratie gesendet haben, enthält jetzt auch Tönisvorst. 1700 Menschen, fast zehnmal so viele wie erwartet, sind am Dienstag für diese auf die Straße gegangen.

Der Marktplatz ist voll, auch in den Seitenstraßen der Fußgängerzone in Tönisvorst stehen Menschen.

Foto: Norbert Prümen

Als Organisator Guido Beckers die Demonstration für Demokratie und das Grundgesetz in St. Tönis beendet, zeigen sich alle Beteiligten hochzufrieden. Einziger Kritikpunkt: Die Lautsprecheranlage hätte größer ausfallen können. Angemeldet war die Kundgebung für 200 Personen, gekommen waren viel mehr. Die Polizei spricht von 1250, die Veranstalter gehen von bis zu 1800 Personen aus. Letztere Zahl erscheint nach überschlägiger eigener Zählung wahrscheinlicher. Das Ergebnis: Viele Menschen finden bei der Abschlusskundgebung keinen Platz auf dem Rathausplatz und können daher die Rede von Bürgermeister Uwe Leuchtenberg (SPD) nicht verstehen.

Am Ende tut das aber keinen Abbruch. Die Menschen gehen mit einem guten Gefühl nach Hause. „Wichtig ist aber, dass wir nicht denken, jetzt die Hände in den Schoß legen zu können. Wir müssen jeden Tag für die Demokratie aufstehen“, betont Beckers in seinen Abschlussworten. Leuchtenberg hatte zuvor in einer flammenden Rede, die immer wieder von Applaus unterbrochen wurde, ein Plädoyer für Demokratie gehalten. „Wir machen deutlich: Die Menschen sind nicht einverstanden, wenn die Demokratie ausgehöhlt und abgeschafft werden soll“, rief er, oder „Wir sind mehr!“. Auch konkret auf die AfD ging er ein. Diese sei ein „toxisches Gemisch aus Menschenverachtung, Rechtsradikalismus und Faschismus“.

Bei den Besuchern der Kundgebung trifft er damit genau den Nerv. „Ich bin mein Leben lang schon gegen rechts. So bin ich erzogen worden. Ich habe überall auf der Welt Gastfreundschaft erfahren und bin ein weltoffener Mensch. Ich sehe aktuell eine reale Bedrohung für unsere Demokratie und glaube, wir sind an dem Punkt, an dem wir in den 1920er-Jahren waren. Wir müssen jetzt klarer dagegen vorgehen, als damals“, betont Hendrik Kleefisch aus Tönisvorst. „Wenn man kein Nazi ist, wählt man keine Nazis“, steht auf dem Schild von Sabine Kempkes. Die Kempenerin möchte vor allem überzeugen. „Ich versuche, diejenigen, die die AfD und ähnliche Parteien wählen, anzusprechen. Die Antworten auf unsere Probleme sind nicht am rechten oder linken Rand. Das demokratische Spektrum bietet auch abseits der großen Parteien genug Alternativen“, sagt sie.

Elisabeth Schwarz und Vanessa Thienenkamp stehen zusammen und diskutieren. „Ich hoffe, dass wir aufgerüttelt haben. Dass die Menschen, die sonst zu Hause bleiben, wählen und so ein Zeichen gegen extreme Positionen setzen“, sagt Schwarz. Thienenkamp ergänzt: „Ich arbeite in einem Seniorenheim. Viele Bewohnerinnen und Bewohner haben mir regelrecht den Auftrag gegeben, her zu gehen und sie sozusagen zu vertreten. Sie sagen als Lehre ihrer eigenen Geschichte: Wehret den Anfängen. Vom Kleinkind bis zu Senioren ist hier alles dabei, das finde ich ermutigend.“

Tönisvorst sendet ein
klares Zeigen für Demokratie

Ihre Ehemänner Helge Schwarz und Marcus Thienenkamp sind Vorsitzende von SPD und FDP in Tönisvorst und gehören zu den Initiatoren der Demonstration. Auch sie sind hochzufrieden. „Wir hätten niemals mit so vielen Teilnehmenden gerechnet. Es ist ein tolles Zeichen“, sagt Schwarz. Thienenkamp nickt zustimmend. Nur einen kleinen negativen Punkt sehen sie. „Es ist zu merken, dass es für viele Menschen die erste Demonstration ist. Es war ein Schweigemarsch, niemand hat etwas skandiert. Das ist total verständlich, aber es macht das Gefühl eines Trauermarschs. Hier muss für die Zukunft vielleicht noch etwas mehr Energie rein“, sagt Thienenkamp augenzwinkernd.

Dies vermag aber nicht zu übertünchen, dass auch Tönisvorst sich in die lange Liste der Städte eingereiht hat, die ein klares Zeigen für Demokratie und Grundgesetz gesendet haben. „Es macht mich stolz auf meine, auf unsere Stadt, dass so viele Menschen gekommen sind. Tönisvorst ist bunt und offen, wir wollen Menschen aller Herkunft, Religion oder Ethnie, sexueller Identität oder demokratischer Überzeugung so sein lassen, wie sie sind“, sagt Leuchtenberg als Bilanz des Abends. Es soll nicht die letzte Positionierung der Stadt bleiben.