Inklusionsgruppe beim TV Schiefbahn Gelebte Inklusion seit über 20 Jahren

Schiefbahn · Die inklusive Sportgruppe des TV Schiefbahn gibt es seit mehr als 20 Jahren. Mittlerweile ist sie weit über die Grenzen Willichs hinaus bekannt und ein Alleinstellungsmerkmal des Vereins. In diesem spielen Menschen mit Handicap eine große Rolle.

Am Freitag geht es „auf den Platz“: Stephan Adomeitis (gelbes Shirt) und ein Teil des Fußballteams in den „Integrativen Gruppen“.

Foto: Nadia Joppen

Diese Angebote gibt es noch viel zu wenig: In den „Integrativen Gruppen“ des TV Schiefbahn treiben Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit und ohne körperliche oder geistige Einschränkungen, aus verschiedensten Nationalitäten und Familiensituationen gemeinsam Sport – nicht im Wettstreit um Höchstleistungen und Punkte, sondern um „Ja zu Inklusion und Toleranz“ zu sagen und dies zu leben.

Die Idee des Inklusionssports hatten Stephan und Petra Adomeitis 2001 entwickelt. „Petra war damals Inklusionshelferin in der Hubertusschule und brachte die Idee mit. Wir haben einen Verein gesucht und fanden bei Ulrike und Klaus Bamberg und dem TV Schiefbahn ein offenes Ohr“, sagt Stephan Adomeitis.

Das Ganze habe sich zu einer Zeit entwickelt, als Behinderte in Sportvereinen noch gar nicht denkbar gewesen seien. „Wir haben mit Kindersport angefangen, aber sie wurden ja älter und es gibt nichts anderes für sie. Deswegen haben wir heute eine Altersspanne von drei bis 36 Jahre“, so Adomeitis. Insgesamt sind es rund 130 „besondere Kinder“, wie die Adomeitis sagen. Einige kommen aus umliegenden Städten, mit dabei sind seit Jahren Kinder und Jugendliche aus in Willich lebenden Flüchtlingsfamilien (Ukraine, Kirgisistan oder arabischen und afrikanischen Ländern) oder aus Familien mit geringem Einkommen, die dann keinen Beitrag zahlen.

Das sportliche Angebot ist breit: Jeden Mittwoch wird das große Trampolin in der Sporthalle der Hubertusschule aufgebaut – um 17 Uhr beginnt die Gruppe der Fünf- bis Zehnjährigen, dann kommen die „Ü-10er“ und dann die „Ü-15er“. Am Donnerstag ist die Zeit von 16 bis 18 Uhr fürs Turnen, Spielen und Toben vorgesehen, danach ist Kampfsporttraining. Um 19 Uhr gibt es ein Sportangebot für Rollstuhlfahrer, danach wird Rollstuhl-Basketball gespielt. Am Freitag geht es auf den Sportplatz Siedlerallee: Ab 16 Uhr spielen die Sechs- bis Zwölfjährigen Fußball, ab 17 Uhr alle über zwölf Jahre.

Einer von ihnen ist Stefan Tissen (31 Jahre), ein Arbeitskollege von Stephan Adomeitis: Er kommt regelmäßig aus Duisburg nach Schiefbahn. Nach einer Erkrankung im Kindesalter hat der junge Mann einen Teil seiner Sehfähigkeit verloren: Sein Gesichtsfeld ist eingeschränkt, er kann nicht dreidimensional sehen und hat Probleme bei der Orientierung. All das machte für ihn das Spiel in einem regulären Verein schwierig, etwa wenn es darum geht, eine Abseits-Position zu deuten. „Ich mag Fußball und bin sehr gerne hier. Es geht nicht um Leistung, sondern der Spaß ist wichtig. Etwas Vergleichbares habe ich in der ganzen Umgebung nicht gefunden“, meint er. Auch die bunte Mischung in der Mannschaft – Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, aber auch „ganz normal verrückte“ Mitspielerinnen und Mitspieler – gefällt ihm.

Bei der Umsetzung der Angebote wird das Ehepaar von weiteren ehrenamtlich engagierten Menschen unterstützt, „das ist eine große Hilfe“, so Adomeitis. Im Laufe der Jahre ist rund um die „Integrativen Gruppen“ ein ganzes Netzwerk entstanden. Seit mehreren Jahren kommen junge Profi-Tänzerinnen und -Tänzer des Bundesjugendballetts aus Hamburg zu einem Workshop mit den „besonderen Kindern“. Am Ende zeigen alle eine beeindruckende Tanzdarbietung. Auch die Trainer des DFB-Mobil kommen regelmäßig für einen Trainingsnachmittag oder es gibt einen Workshop mit dem Landespolizeiorchester NRW. Eine Gruppe durfte sogar bei der Handball-EM die Sportler als Einlauf-Kinder begleiten.

Neben den Sportangeboten organisiert das Team verschiedenste Ausflüge und Ferienspiele im Sommer. Sie sind kostenlos, damit alle Kinder mitmachen können. Der Verein setzt für diesen Bereich auch Spenden ein. Eine prominente Unterstützerin ist seit Jahren Fernsehmoderatorin Marlene Lufen, ebenso helfen Firmen oder die Aktion „Schützen helfen“. Was Stephan Adomeitis auch wichtig ist: „Die Kinder, die in unsere Gruppen kommen und diesen ganz normalen Umgang untereinander erleben, setzen es auch als Erwachsene um: Sie akzeptieren Menschen, die vermeintlich anders sind, und beziehen sie in ihr Leben ein.“