Diskussion Mediziner und Moraltheologin diskutieren über Organspenden
Willich. · Es ist kein schönes, aber ein wichtiges Thema. Zu einem Gesprächsabend über Transplantationsmedizin hatten die katholische Kirchengemeinde Willich und der Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer (CDU) ins Pfarrheim von St. Katharina eingeladen.
„Wird es möglich sein, im Tod Leben zu retten?“, fragte Schummer. 30 Gäste lauschten den Ausführungen von Dr. Katharina Westerhorstmann und Rudolf Henke, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag. Moderiert wurde die Veranstaltung von Paul Schrömbges, Mitglied im Kirchenvorstand.
Zwei Fachleute mit durchaus unterschiedlichen Positionen zu dem Thema hatten den Weg nach Willich gefunden. Katharina Westerhorstmann ist Moraltheologin der Universität Bonn. Rudolf Henke ist Internist, seit 2009 Mitglied des Bundestags, zudem Vorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund und Präsident der Ärztekammer Nordrhein.
Das Problem, um das es geht, wurde von Uwe Schummer aufgezeigt: 955 Organspendern des vergangenen Jahres stehen rund 10 000 Menschen gegenüber, die auf ein Organ warten. Der Gesetzesvorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit der Widerspruchslösung hat die Diskussion stärker in den öffentlichen Blick gerückt. Rudolf Henke stellte die These auf, dass die zu geringe Zahl an Organentnahmen weniger mit dem mangelnden Willen der Spender als mit den organisatorischen und finanziellen Bedingungen an dem jeweiligen Krankenhaus zusammenhingen: „Es gibt Krankenhäuser, die entnehmen 17 Mal häufiger Organe als andere. Das muss mit der unterschiedlichen Praxis in den einzelnen Krankenhäusern zu tun haben.“
Organentnahme ist aufwendig, die Teams arbeiten meist nachts
Er schilderte, wie aufwändig eine Organentnahme in der Praxis sei: Zwei erfahrene Ärzte müssen den Hirntod feststellen. Die Transplantationsteams müssen zusammengestellt werden. Sie arbeiteten meist nachts, zusätzlich zu ihren normalen Schichten. Aktuell sei ein neues Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in Kraft getreten. Dessen Auswirkungen könnten aber durch den Vorschlag von Jens Spahn nun nicht abgewartet werden. Dabei soll gelten: Wer selbst oder wessen Angehöriger der Organentnahme nicht ausdrücklich widerspricht, dessen Einverständnis gilt als erteilt. Daneben gibt es nun einen zweiten Vorschlag, die sogenannte Entscheidungslösung, die Henke und Schummer favorisieren. Danach soll die Bereitschaft zur Organspende eine bewusste und freiwillige Entscheidung bleiben, mit der jeder Bürger immer wieder, etwa wenn er seinen neuen Ausweis abholt, konfrontiert werden soll.
Katharina Westerhorstmann, die selbst keinen Organspendeausweis hat, gab zu bedenken, dass die Situation des Sterbens „zu den vulnerabelsten und schwierigsten Situationen des menschlichen Lebens“ gehöre. Und deshalb der Schutz des Sterbenden an erster Stelle stehe. „In der aktuellen Diskussion scheint es eher um den potenziellen Empfänger zu gehen“, findet sie. Außerdem sei eine Spende eine freiwillige Gabe. „Die Widerspruchslösung lebt von der Passivität der Bürger“, sagte sie. „Durch die neue Datenschutzverordnung muss ich der Freigabe jedes kleinsten Fotos zustimmen, und hier geht es doch um viel wichtigere Dinge.“ Die Menschen hätten ein Gefühl der Unsicherheit, etwa im Hinblick auf das „Hirntodkonzept“. Zudem gebe es „kulturelle Vorbehalte im Hinblick auf die Integrität des Körpers“. Ein Problem sieht sie im starken Interesse der Politik daran, die Zahl der Spenden zu erhöhen. „Da gilt es, zwischen Information und Werbung zu unterscheiden.“
Ein Punkt, in dem ihr Henke beipflichtet. Es gebe viele „in Hochglanz verpackte Informationen, die den Charakter des Drängens haben. Ich wünsche mir, dass wir davon wegkommen.“