Heimatbuch 2023 Kreis Viersen Eine Schatzkiste mit wertvollen Beiträgen

Kreis Viersen · Das kurze Leben eines Viersener Kunstmalers, Kiesgruben-Hinrichtungen von Weltkriegs-Deserteuren — und wie ein Süchtelner das erste Auto in die Niederlande brachte, nachzulesen ist das jetzt im neuen Heimatbuch des Kreises.

Die Autoren des neuen Heimatbuchs des Kreises Viersen, Stefani Pleines, Michael Habersack, Bernd-Dieter Roehrscheid, Theo Optendrenk, Vera Meyer-Rogmann, Henk Brauer und Annegret Hols, mit Kreisdirektor Ingo Schabrich.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Was haben der größte aller Esel aus Süchteln, das Bildnis der Ferdinanda von Wachtendonk und das Foto einer Torf-Mosaikjungfer gemeinsam? Die Antwort ist ganz einfach. Diese drei Bilder zieren den Titel des Heimatbuchs 2023 des Kreises Viersen, und sie finden sich neben 15 weiteren wissenschaftlich fundierten Texten im nunmehr 74. Heimatbuch ebenso mit Beiträgen wieder. „Wir haben eine Schatzkiste, die voll ist mit wissenschaftlich wertvollen Beiträgen und die auf diesem Weg sicher für die Nachwelt aufbewahrt werden“, beschreibt Kreisdirektor Ingo Schabrich das neue Heimatbuch. Man beleuchte schöne Seiten der Geschichte ebenso wie dunkle, fügt Michael Habersack an. Damit spielt der Leiter des Kreisarchivs auf den Beitrag von Bernd-Dieter Röhrscheid an. Der Willicher hat sich mit den Todesurteilen durch das „Fliegende Feldgericht“ im Herbst 1944 in Schiefbahn beschäftigt. Dieses Feldgericht verurteilte Deserteure zum Tode und ließ die Angeklagten in einer Kiesgrube auf der Dickerheide hinrichten. „Es gibt kaum Unterlagen zu diesen Vollstreckungen, und die Recherche gestaltete sich sehr aufwendig, wobei Herr Habersack meine Arbeit zur Aufarbeitung dieses Themas sehr unterstützte“, bedankte sich Röhrscheid für die gute Zusammenarbeit.

In einer knappen Stunde von Süchteln nach Venlo gefahren

Wer die Seite 115 des Heimatbuches aufschlägt, erfährt, dass Geschichte auch schon einmal korrigiert werden muss. Henk Brauer und Martin Bergevoet widerlegen eindeutig, dass das erste, mit einem Benzinmotor betriebene Fahrzeug im niederländischen Arnheim 1896 über die Straßen rollte. Vielmehr ratterte „eine Kutsche mit drei Rädern, die nicht von Pferden gezogen wurde“, wie es das damalige Venloosch Weekblad beschrieb, im April 1893 durch Venlo. Es soll sich um den Süchtelner Unternehmer Richard Freudenberg gehandelt haben, der in einer knappen Stunde von Süchteln nach Venlo gefahren war. Eine Strecke die zu Fuß vier Stunden dauerte. Die beiden Autoren befassen sich im Heimatbuch aber nicht nur mit dieser ersten Fahrt eines benzinbetriebenen Fahrzeuges auf niederländischen Boden, sondern beleuchten auch das Leben Freudenbergs.

Wie spannend Geschichte sein kann, zeigt auch Annegret Hols in ihrem Beitrag über den Kunstmaler Lorenz Neef. Eine kleine hölzerne Truhe, die jahrzehntelang auf einem Dachboden stand und dem Kreisarchiv zugeführt wurde, ließ den Artikel über den Viersener entstehen. „In der Kiste befanden sich mehr als 300 Briefe, Postkarten, Fotos und Notizbücher aus dem Nachlass von Agnes Neef, allesamt Andenken an ihren Mann, der im Alter von 36 Jahren im Ersten Weltkrieg verstorben war“, sagt Hols. Das Leben von Lorenz Neef, der eine Schreinerlehre absolvierte und als Kirchenmaler arbeitete, wird im neuen Heimatbuch lebendig. Die Natur fehlt ebenso wenig. Stefani Pleines und Barbara Thomas setzen ihre Berichterstattung über die Libellenfauna fort. Waren es im vorausgegangenen Heimatbuch die „Gewinner“, so geht es diesmal um die „Verlierer“. „Wir haben uns mit den zurückgehenden Arten beschäftigt und die Datenlage mehrere Jahre ausgewertet“, erklärt Pleines. Was es mit dem Gelleshof im Kehn auf sich hat erfährt der Leser dank Vera Meyer-Rogmann genauso wie die spannende Geschichte der Lobbericher Bocholtz-Bibliothek von 1748, die der Autor Theo Optendrenk zum Leben erweckt. Margret Wensky erinnert an den verstorbenen Kreisarchivar Gerhard Rehm. Hans Neetix zeigt den Weg vom Kegelclub „Fideler Bauer“ zum Karnevalsverein im Süchtelner Karneval und Klaus Niehr hat sich anhand des Kreuzweges auf dem Friedhof in Leuth mit der Frömmigkeitsgeschichte des 19. Jahrhunderts im Rheinland beschäftigt. Habersack selbst ging an ein ganz aktuelles Thema heran. Er beschäftigte sich mit dem Umzug des Kreisarchivs und lässt die Leser einen Einblick nehmen, was es heißt, wenn die große historische Schatzkiste des Kreises, bislang aufgeteilt auf mehrere Orte, an einen Standort zieht. „Mit dem neuen Heimatbuch haben es die Autoren wieder einmal geschafft, die Kultur in ihrer großen Bandbreite zu präsentieren und das mit einen wissenschaftlichen Anspruch“, lobt Schabrich. Mit einer Auflage von 2000 Stück knüpft man die Vorgängerausgaben an.