Tönisvorst Hannah: „Fagott ist mein Medium“

Die 21-jährige Hannah Heim aus Tönisvorst liebt ihr Blasinstrument. Es ist ein neues „Altes“. Um es zu finanzieren, hat sie sich vor Beginn ihres Musikstudiums in Maastricht kreativ viele Spenden erspielt.

Foto: Markus Bollen

Tönisvorst. Als vor sechs Jahren die Werbung für den Fernsehfilm „Der Mann mit dem Fagott“ anlief, eine Geschichte nach dem Bestseller von Udo Jürgens, bekam ein Instrument erhebliche Aufmerksamkeit, das gut und gerne 350 Jahre musikalischen Daseins für sich verbuchen kann. Das Holzblasinstrument muss sich in der Gunst von Eleven aber hinter populäreren Instrumenten anstellen. Eine junge Frau aus Tönisvorst liebt das Fagott, seit sie es im Alter von zwölf Jahren zu spielen begonnen hat. Hannah Heim hat im Sommer ihr Abitur am Michael-Ende-Gymnasium bestanden und studiert seit dem 1. September in Maastricht. Dorthin hat sie auch ihr neues altes Fagott mitgenommen, für dessen Anschaffung sie einige Mühen auf sich genommen und dank ihres Talents und Kreativität viele Unterstützer gewonnen hat.

Das Fagott fasziniert Sie, Hannah. Warum?

Hannah Heim: Ich liebe den Klang. Er ist rund und warm. Auch das Register, also die Lage, mag ich sehr gerne. Wie Cello. Es ist mein Medium. Ich kann mich ausdrücken und ich wachse beim Üben mit dem Fagott. Ich habe ein anderes Selbstbewusstsein, eine andere Körperhaltung, ein klareres Denken.

Sie haben im Alter von sieben Jahren die Blockflöte in die Hand genommen. Mit Zwölf erfolgte der Wechsel zum Fagott. Sie haben bereits eine bemerkenswerte spielerische Karriere hinter sich. Nun wollen Sie vorankommen. Mit einem guten Instrument. Für ein Gebrauchtes mussten Sie 25 000 Euro einplanen. Sie haben es erreicht. Wie ist Ihnen das gelungen?

Hannah: Ich habe ein Fagott-Crowdfunding-Projekt gestartet, das heißt, ich habe Hauskonzerte gegeben, bei einem Fagottbauer in Köln gearbeitet, habe mit zwei anderen Straßenmusik gemacht und „Fagottengel-Karten“ gebastelt, also Postkarten mit Fagottmundstück, und auf Weihnachtsmärkten verkauft.

Sie sagen, viele sehr engagierte Menschen hätten Ihnen bei der Realisierung geholfen. Wie das?

Hannah: Indem sie (Haus-)Konzerte organisiert oder die „Engelkarten“ gekauft haben, mich anderen Musikern oder Musikinteressierten vorgestellt und mich finanziell unterstützt haben. Oder mir ein Bett zur Verfügung gestellt haben, an all den Orten, an denen ich Aufnahmeprüfungen gemacht habe. Ich habe mich an den Musikhochschulen in Köln, Essen, Maastricht, Berlin, Detmold, Mainz und Würzburg beworben. Andere haben mir ihre Gage gespendet oder auf ihr Geburtstagsgeschenk verzichtet und um eine Spende für mich gebeten, mir Socken zum Verkauf gestrickt. . .

Interview

Sie haben den Zonta Club Mönchengladbach II., in dem Annette Stephan von der Tönisvorster Gesamtschule aktiv ist, sehr beeindruckt, unlängst ein Klappstuhlkonzert im Garten von Frau Stephan gegeben. Sie hat uns auf Sie aufmerksam gemacht.

Hannah: Das stimmt. Das liebe ich auch an der Musik, dass sie Menschen verbindet.

Seit kurzem sind Sie an der Musikhochschule Maastricht eingeschrieben. Wie sieht bei Ihnen die Uni-Woche aus?

Hannah: Ich fange erst an zu studieren, deshalb ist das eine schwierige Frage, wie meine Woche aussieht. Ich werde natürlich viel üben, vier bis fünf Stunden am Tag. Ich werde Unterricht in Stage-Performance und Musikgeschichte bekommen. Ich fühle mich meistens am fittesten, nachdem ich zwei oder drei Einheiten geübt, aber noch nicht zu viel gearbeitet habe.

Wie reagiert das Wohnumfeld auf Ihr tägliches Üben?

Hannah: Es gibt normalerweise in der Hochschule Übemöglichkeiten, aber in der Tat kann ich mich sehr glücklich schätzen, dass ich hier, in meinem WG-Zimmer in einem Studentenwohnheim, die Möglichkeit dazu habe. Das ist nicht selbstverständlich. Wir haben an unserer Hochschule auch nicht genügend Räume für alle Studenten.

Was möchten Sie als Musikerin mit Ihrem Fagott erreichen?

Hannah: Ich würde natürlich gern im Orchester spielen, mag aber auch Ensemblemusik und kann mir vorstellen, zu unterrichten.

Haben Sie Lampenfieber?

Hannah: Früher mehr als heute. Lampenfieber gehört dazu. Meistens geht es aber schon in den ersten Minuten auf der Bühne vorbei. Ich habe auch gelernt, beim Konzert Spaß zu haben.

Wann geben Sie Ihr nächstes Konzert und wo?

Hannah: Am 16. November, ein Benefizkonzert in Köln in der Kunst-Station Sankt Peter zusammen mit Judith Stapf (Violine) und Wolfgang Klein-Richter (Klavier). Es ist ein Konzert für Jerzey Gross, einen ,Juden, den letzten Überlebenden des Holocaust von Schindlers Liste. Er ist vor zwei Jahren gestorben, aber seine Geschichte soll weiter erzählt werden. Meine Tante, Angela Krumpen, hat ein Buch über ihn geschrieben. Es heißt: „Spiel mir das Lied vom Leben.“ Dieses Buch soll weiter gedruckt werden, also muss Geld organisiert werden.

Wann werden Sie das nächste Mal zu Hause in Tönisvorst sein, wo Sie seit fast drei Jahren viele geflüchtete afrikanische und syrische Menschen unterstützen?

Hannah: Maastricht ist nur eine Stunde mit dem Auto von Tönisvorst entfernt, also kann ich, wenn ich möchte, auch mal ein Wochenende in Tönisvorst sein. Was mich besonders freut, weil ich meine ausländischen Freunde und Freundinnen wiedersehen kann.