Auch eine Corona-Folge Im Tief ein Hoch auf die Parkbank
Kreis Viersen · Bürger gehen mehr spazieren und nehmen sich mehr Zeit für Pausen auf der Parkbank. Ob Holz oder Stein, mit Lehne oder ohne, im Grünen oder in der Stadt: 200 „öffentliche“ Bänke gibt’s allein in Tönisvorst.
Ihre Modellmaße sind 180, 43, 45. Sie stehen in der Reihenfolge für Sitzbreite, Sitzhöhe und -tiefe. Jedenfalls in gängigen Bestell-Proportionen.
Manche fristen ein Schattendasein. Andere pachten den Platz an der Sonne. Im Grünen fehlen sie ebenso wenig wie in der Stadt. Wo sie sind, lässt man sich gern nieder. Aktuell in der Wahrnehmung sogar häufiger als vor der Phase von Corona-reduzierten Freizeitmöglichkeiten. Ein Hoch im Tief – auf die Parkbank.
Viele Menschen nehmen die Sitzgelegenheit zum Verschnaufen und Verweilen überhaupt wieder wahr. So, wie sie das Spazierengehen und -radeln wiederentdecken. Ohne viele Alternativen zu haben. Aber auch ohne Termindruck. Da nimmt man entschleunigt Platz, beobachtet, was sich um einen herum so alles tut. Das, was der St. Töniser sonst vom Lieblingsplatz im Café Steeg aus oder vor der Eisdiele Fontanella machte.
Seit zwei Jahren stellt die Stadt Tönisvorst auf Steinbänke um
Im Tönisvorster Stadtgebiet gibt es mehr als 200 Bänke. Die meisten Modelle sind aus Holz und stammen von der Firma Hawil in Moers. Ein anderes Material und Modell soll und wird sich wohl nach und nach durchsetzen. Seit zwei Jahren stellt die Stadt auf Betonbänke um. Die haben „einen modernen Look“ und „sind nicht so Vandalismus-anfällig“, so der Hinweis aus dem Rathaus.
Die glatten Neuen stehen bereits am Spielplatz am Wasserturm, Spatzenwinkel oder auf dem Pastorswall. Rund 20 Steinbänke der Firma Schellevis hat die Stadt Tönisvorst seit 2018 platziert.
Eine typische Parkbank ist wie gemacht für die auferlegte Distanziertheit von Corona. Längeneinheit als Abstandshalter.
Im Moment kann man unterwegs doch oft eins und eins zusammenzählen: Da gehen Mutter und Tochter spazieren, dort radelt ein Ehepaar des Weges, hinten joggen zwei Sportler und da führen zwei Nachbarn ihre Hunde aus. Zwei sind keiner zu viel. Und wer rasten will, darf dies auch gemeinsam auf der Bank tun. Nur das Corona-Piktogramm der Polizei ist strenger: Da sitzt ein Mensch auf der Bank im Grünen.
Bänke in anderen Dimensionen
in Kempen und Willich
Es gibt auch Parkbänke anderer Dimensionen. Ein schönes, breites Exemplar steht am Grenzweg an der Niers. Modell Familien-tauglich. Hier passen locker vier Personen nebeneinander. Den Corona-Auflagen entsprechend, könnten sich aber auch zwei Fremde an den Parkbank-Enden gegenübersitzen, ohne die 1,50- bis Zwei-Meter-Regel zu verletzen.
Bänke anderer Dimensionen? Da gehört – klar – auch die lange Tafel auf dem 2019 neugestalteten Willicher Markplatz dazu.
Riesig und rund war ein Exemplar, an das sich viele Kempener noch gut erinnern. Die kommunikative Rundbank vor der Burg gegenüber der Post, entworfen von dem Künstler Katsuhito Nishikawa. Sie dürfte so mancher vermissen. Nach mutwilligen Beschädigungen war sie abgebaut und eingelagert worden. Einen neuen Platz, etwa vor der Mühle am Hessenring, hat die Sitzgeberin nicht bekommen.
Kommunikations-Anreger dieser Größenordnung dürften aber sowieso auf die lange Bank geschoben sein. Die Corona-Schutzverordnung, die seit Montag in Nordrhein-Westfalen und damit auch im Kreis Viersen gilt, unterbindet weiterhin gezielte Kontakttreffen von mehr als zwei Menschen im öffentlichen Raum. Auch wenn das nach Lockerungen für den Einzelhandel mancherorts nicht mehr sofort erkennbar ist. Belebung tut dem Handel gut. Der Umgang damit muss sich noch besser einspielen.
Auf der Bank ist Ruh’. Zwei Substantive. Zwei Wiederentdeckte. Jedenfalls von allen, die sonst in Mittagspausen durch Grüngürtel oder Stadt hetzen, die Parks nur aus der Zeit kennen, als sie mit Kinderwagen, Buggy, Tretroller und Fahrrad zum Spielplatz schoben.
Durch die Bank waren viele Menschen vor dem Corona-Virus hektischer unterwegs. Hatten weniger Zeit für Muße mit Lehne, den Blick ins Grüne, die Rast am Radweg. Könnte hinten heraus zeitlich zu knapp werden. Jetzt ist hinten viel Zeit.
Der eine oder andere hat eine Lieblingsbank. Er könnte es dem Autor Reto Weber gleichtun. Er hat in seinem Buch „Schweizer Bankgeheimnisse“ 33 Wanderungen zu schön gelegenen Sitzbänken in der Schweiz beschrieben. Nachahmenswert – auch hier.
Die „Süddeutsche Zeitung“ hat übrigens Anfang April über ein Osnabrücker Familienunternehmen geschrieben, das Bänke und Stadtmobiliar produziert. Darunter das Modell „Corona“, mittlerweile aber „eher mittelgut verkäuflich“.
Da platziert man sich vielleicht besser auf Tönisvorsts Neuen – denen mit dem Beinamen „Oud Holland“. Und träumt sich dabei im Grünen ans Meer.