Landwirtschaft Landwirte klagen über Vorgaben

Neersen · Landwirte beklagen zunehmende Verbote und Verordnungen, die ihnen die Arbeit erschweren. Um noch Qualität in ausreichender Menge liefern zu können, befürchtet ein Neersener Landwirt eine Zuwendung zur Gentechnik.

Ein Landwirt spritzt ein Fungizid zum Schutz der Pflanzen auf seinem Feld.

Foto: dpa/Thomas Warnack

Strengere Düngemittelverordnungen, die Streichung von jahrzehntelang zugelassenen Pflanzenschutzmitteln gegen Viren, Pilze und andere Pflanzenschädlinge – viele Landwirte in Deutschland berichten, dass es ihnen immer schwerer gemacht werde, die Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zu versorgen. Während die Auflagen in Deutschland steigen würden, gelte dies für viele Nachbarländer nicht. Von dort würden Lebensmitteln exportiert, die nach den hier geltenden Richtlinien nicht hätten produziert werden dürfen. „Das scheint aber niemanden zu interessieren, dass die Kollegen im Ausland unter anderen Bedingungen anbauen können. Die hier geltenden Vorgaben gefährden unsere Existenz und sind wettbewerbsverzerrend“, klagt Helmut Oellers.

Der Neersener Landwirt könne Vieles nicht nachvollziehen, weil es sich für ihn als unlogisch herausstelle, berichtet er und nennt ein Beispiel: den Rübenanbau. Das Samenkorn, die sogenannte Pille, sei mit Neonicotinoid-Wirkstoff ummantelt gewesen. Dies habe die Pflanze vor Schädlingen wie Läusen und der Übertragung von Viruskrankheiten geschützt. Im Zuckerrübenanbau sei diese Beize verboten worden.

Der Neersener Landwirt Helmut Oellers bei der Vorbereitung der regelmäßigen Tüv-Kontrolle der Spritzmaschine auf seinem Hof.

Foto: Norbert Prümen

Die Sorge betreffe die Blüte der Pflanzen: Wenn Insekten diese anfliegen würden, könnten sie mit dem Wirkstoff in Kontakt geraten und Schaden nehmen. Die Rübe blühe als zweijährige Pflanze aber erst im zweiten Jahr – und würde dieses zweite Jahr gar nicht erreichen, da sie bereits im ersten Jahr geerntet würde, berichtet Oellers. Bienen und anderen Insekten könnten die Blüten der Rüben daher nicht anfliegen, bestäuben und auf diesem Weg möglicherweise mit einem Wirkstoff in Kontakt kommen.

Bei den Kartoffeln sei es ähnlich. Die Blüte der Kartoffelpflanzen sei für Bienen uninteressant, sagt Oellers, er könne daher die Logik, die hinter einigen Verboten stecke, nicht nachvollziehen. Neonics könnten seiner Meinung nach gezielter und damit umweltschonender eingesetzt werden, weil sie direkt ans Saatgut angebeizt würden.

Die wachsende Pflanze müsse nicht mehr gegen Läuse gespritzt werden, weil sie von Anfang an durch den Wirkstoff der Beize geschützt sei. „Ansonsten müssen wir mehrmals mit dem Schlepper über das Feld und die verschiedenen Produkte breitflächig ausbringen. Das verbraucht Treibstoff, belastet die Umwelt und den Ackerboden durch die dabei verwendete höhere Wirkstoffmenge unnötig“, sagt Oellers.

Zulassung für die Rübenbeize
kam für Landwirte zu spät

Da in zwölf EU-Staaten die Rübenbeize über Notzulassungen wieder genutzt werden darf, hat der Rübenanbauverband in Deutschland Druck gemacht und ebenfalls für eine Notfallzulassung gesorgt. Die ist wiederum mit diversen Auflagen behaftet. Zudem kam die Zulassung für viele Landwirte zu spät. Sie hatten schon ungebeiztes Saatgut geordert, um überhaupt im Rübenanbau loslegen zu können.

Was der Neersener Landwirt ebenfalls ankreidet ist, dass es zwar zu etlichen Verboten gekommen sei und Wirkstoffzulassungen ausliefen, aber es an vernünftigen praktikablen Alternativen fehle. Wenn auf der einen Seite etwas weggenommen werde, sollte auf der anderen Seite ein Ersatz geschaffen werden, um einen Anbau von Lebensmitteln in der gleichen Qualität und Menge sicherzustellen, sagt Ollers. Dies sei aber nicht der Fall.

Werde nicht wirksam behandelt, komme es zu Ernteausfällen. Menge und Qualität der Waren zur Versorgung der Menschen würden dann nicht mehr stimmen. Oellers sieht damit den Weg für gentechnisch verändertes Saatgut offen stehen. Nur darin könne er eine Möglichkeit erkennen, um Qualität und Mengen zu halten, wenn immer mehr Mittel verboten würden.

Es scheine forciert zu werden, sagt er, dass gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, denen bereits Resistenzen angezüchtet wurden. „Generell gilt: Die Dosis macht das Gift. Wir können gar nicht überdosieren, weil wir genau kontrolliert werden. Bis auf ein Pikogramm genau können Rückstände heute nachgewiesen werden. Bei einer in der Niers ausgekippten Flasche Cola kann im Umkreis von fünf Kilometern der Phosphor aus dem Getränk nachgewiesen werden“, verdeutlicht Oellers die heutigen Messtechniken.

Die Landwirte seien an genaue Vorgaben gebunden, und selbst die Feldspritzen, mit denen die Landwirte Wirkstoffe ausbringen, würden regelmäßigen Kontrollen unterliegen. Doch in den Köpfen der Menschen sei noch immer das Bild vom Landwirt, der nach Gutdünken Gülle und Spritzmittel ausbringe und so die Umwelt schädige, klagt Oellers.