Ludwig Kamm: „Ich predige aus dem Herzen“
Ein arbeitsreicher Abend steht Ludwig Kamm bevor. Er feiert in Vorst und St. Tönis kurz hintereinander zwei Christmetten.
Tönisvorst. Eine Excel-Tabelle benötigt Pfarrer Ludwig Kamm noch nicht, um die Terminlage dieser Weihnachtsfeiertage zu verwalten. „Das mache ich nach alter Väter Sitte noch mit meinem Notizbuch“, sagt er und legt gelassen das braune Lederbändchen neben sich auf den Tisch.
Arbeitsreiche, wenn auch nicht die arbeitsreichsten Tage des Jahres stünden ihm an Heiligabend und am ersten Weihnachtstag bevor, sagt er. „Ostern ist aber noch intensiver — und abwechslungsreicher.“ Das Pensum, das der Geistliche nun vor sich hat, ist allerdings beachtlich.
Am Samstagvormittag kann es Kamm noch gemütlich angehen lassen. Er will in dem Buch des Niederländers Geert Mak, „In Europa — eine Reise durch das 20. Jahrhundert“ weiter kommen. „Das ist eine Schwarte von 700 Seiten, die ich im Urlaub angefangen habe.“ An Manuskripten für die Predigten feilt er am Samstag nicht mehr, „weil es nichts Schriftliches gibt“, sagt Kamm. Als Kaplan habe er sich immer noch alles aufgeschrieben, aber schon bald damit aufgehört. Das gesprochene, nicht das abgelesene Wort sei seine Stärke. „Ich predige aus dem Herzen, nicht aus dem Stegreif“, sagt er.
Um 17 Uhr steht am Samstag die Familienmesse in St. Cornelius in St. Tönis an. „Das wird wohl die vollste Messe“, glaubt Kamm, der zum ersten Mal das Akkordeonorchester erleben wird. Kamm schätzt, dass er gegen 18.45 Uhr zurück im Vorster Pfarrhaus ist. Zeit, um sich — wie in früheren Jahren — etwas Warmes zu kochen, wird er nicht haben. „Ich esse nur ein paar Scheiben Brot,“ sagt er. Denn um 20 Uhr, zwei Stunden eher als gewohnt, kommen die Vorster in St. Godehard zur Christmette zusammen.
Auf einen Handschlag und ein Gespräch mit ihrem Pfarrer werden sie sich zum Ausklang vor der Kirche nicht freuen können. „Ich werde wohl nur ein Tschüss und ein ,Tut mit leid’ sagen können, denn ich muss schnell weiter.“ St. Tönis wartet — sieben Autokilometer weiter. Gut, dass die Meteorologen keinen Schneefall erwarten. Um 22 Uhr beginnt schon die Christmette in St. Cornelius. „Zwischen beiden passt kein Schluck Wasser“, sagt Kamm. Lampenfieber begleitet den erfahrenen Geistlichen nicht mehr. „Nichtsdestotrotz schlaucht dieser Tag“, sagt Kamm lächelnd, „denn ich predige mit vollem Körpereinsatz.“
Heiligabend ist ein Tag der Gegensätze — mal ist Kamm allein, dann wieder umringt von Hunderten von Leuten in den überfüllten Pfarrkirchen.
Den späten Heiligen Abend wird Kamm mit einem Glas Rotwein ausklingen lassen und sich möglichst bald schlafen legen. Denn am ersten Weihnachtstag geht es um 10 Uhr mit einem Gottesdienst in Vorst weiter, gefolgt von der Festmesse mit Chor und Orchester in St. Cornelius in St. Tönis um 11.30 Uhr.
Am zweiten Weihnachtstag ist Zeit für die Familie. Kamm wird nachmittags seine drei Brüder in Hagen treffen. Zu Kamms Kinder- und Jugendtagen versammelte man sich im großen Familienkreis stets am ersten Weihnachtstag beim Großvater in Hagen. „Da kamen die Kinder, Schwiegerkinder und Enkel zusammen, und für jeden gab es ein Geschenk.“
An Weihnachten ist Ludwig Kamm nicht nur die Nähe zu den Vorstern und St. Tönisern, sondern auch zu seinen vielen Bekannten in der Welt wichtig. „Pfarrer Alphonse Vianneyraj aus Indien ist immer der Erste, der mir einen Weihnachtsgruß sendet. Und ich rufe immer in Burundi an.“ Abends, wenn im Vorster Pfarrhaus der weihnachtliche Feierabend einkehrt.