Premiere: Streit ohne Chance auf Versöhnung
Langanhaltenden Applaus erntet das Ensemble in „Gott des Gemetzels“.
Neersen. Eigentlich hätte das Stück von Yasmina Reza auch nach einer halben Stunde zu Ende sein können. Da war jedem Zuschauer bei der ersten Abendpremiere der Schlossfestspiele Neersen klar, dass es keine Lösung des Konflikts gibt, in dem die Ehepaare stecken.
Aber der "Gott des Gemetzels", dem die Vier auf geistig-seelischer Ebene eher unbewusst huldigen, ist schon sehr amüsant, so zurückgelehnt, aus der Distanz miterlebt. Und die 90 Minuten, die das Stück insgesamt dauert, vergehen wie im Flug, trotz der Kälte am Samstagabend.
Michel und Véronique Houillé sowie Annette und Alain Reille sind zusammengekommen, um den Streit zwischen ihren elfjährigen Söhnen beizulegen, in dessen Verlauf der Eine dem Anderen Zähne ausgeschlagen hat. Doch darum geht es schon bald gar nicht. Es offenbaren sich Brüche und Risse in den Paaren, die ganz sicher nicht mehr zu kitten sind.
Munter geht’s zur Sache, jeder breitet genüsslich die Schwächen des Partners aus, um sich selbst in ein besseres Licht zu stellen. Natürlich macht er sich selbst dabei lächerlich, wenn er ihm die übelsten Wunden schlägt. Mit Liebe hat das alles gar nichts mehr zu tun - und darüber kann man hier aus der Distanz heraus herzlich lachen.
Doch viele der Gesprächsfetzen der Paare, die man auf dem Heimweg aufschnappt, offenbaren ähnliche Tendenzen; wer ein gewisses Alter erreicht hat, hat ähnliches meist bereits am eigenen Leib erfahren und keiner fand das komisch. Jeder findet es genauso zum Kotzen wie Annette - die das sogar im Verlauf des Stückes auf der Bühne tut (schauspielerische Sonderleistung von Juliane Ledwoch).
Trotzdem können die Vier das Treffen nicht beenden - der Kinder wegen. In der Inszenierung von Martin Maier-Bode blitzen auch die Brüche in den Personen auf. Subtil zeigen die mit Verve spielenden Schauspieler die Trauer um zerstörte oder unerfüllte Träume, um die etablierte Langeweile. Einen Augenblick lang werden sie weich, erregen sogar wechselweise Mitleid, aber dann geht der Krampf weiter.
Immer höher - besser tiefer - schraubt sich die Spirale der Gewalt, bis das Niveau der hochgebildeten Menschen in den Niederungen der Nachmittags-Talkshows ankommt und die friedensbewegte Véronique (Claudia Dölker) rittlings auf ihrem sanften Ehemann Michel (Markus Rührer) sitzt und ihn vertrimmt.
Jeder freut sich mit Annette, die das nervende Handy ihres aalglatten, skrupellosen Anwalts Alain (Hartmut Scheyhing) im Gartenteich zum Schweigen bringt. Auch wenn sie ihm damit womöglich seine Lebensgrundlage zerstört.
Langandauernder warmer Applaus, auch für die Ausstatterin Silke von Patay, die das Kammerstück auf eine puristisch gestaltete Terrasse vor dem Schloss holt. Zufriedene Gesichter bei der Premierenfeier, zu der in den Ratssaal geladen wird. Der ist an diesem Abend nur von hinten über die Terrasse zu erreichen und führt die Besucher durch den stilvoll mit Fackeln illuminierten Weg durch die Anlage des Schlosses.