Willich Ruhe finden bei den Schildkröten
Hendrik Pempelfort (24) hat ein ungewöhnliches Hobby. Der Ratsherr aus Anrath züchtet Wasserschildkröten.
Anrath. Hendrik Pempelfort kennen in der Stadt Willich viele Menschen: Der 24-jährige Student der Philosophie und Politik ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat. In dieser Funktion steht der Anrather oft in der Öffentlichkeit. Wenn er aber seine Ruhe haben will und den Kopf frei bekommen möchte, dann zieht er sich in sein kleines Reich im Dachgeschoss seines Elternhauses an der Süchtelner Straße in Anrath zurück. Viel Platz zum Wohnen hat er dort allerdings nicht, denn seine beiden Zimmer werden voll und ganz von seinem zweiten Hobby neben der Kommunalpolitik eingenommen: Hendrik Pempelfort züchtet Wasserschildkröten.
Halogen-Metalldampflampe. Man ahnt es schon: Ein Hobby, bei dem man Dinge mit solchen Namen benötigt, erfordert viel Fachwissen. Dieses hat sich der Student in den vergangenen dreieinhalb Jahren über Literatur, Internet und den regen Austausch mit anderen Schildkröten-Züchtern erworben. Der Erfolg zeigt, dass er auf dem richtigen Weg ist: Nach einer ihm schier endlos vorkommenden Wartezeit von 119 Tagen schlüpfte Anfang Juni seine erste Zuchtschildkröte. Sein Facebook-Post dazu liest sich wie eine Mitteilung aus dem Kreißsaal: „Kurze Schlupfdaten: 3,3 g und etwa 2,5 cm. Was für ein unglaubliches Gefühl!“
Dieses Gefühl hat sich mittlerweile weiter verstärkt, denn es sind drei weitere Baby-Schildkröten geschlüpft. Die Winzlinge sind derzeit einzeln in kleinen Plastikschalen untergebracht, da viele Schildkrötenarten die unangenehme Angewohnheit haben, sich gegenseitig an die „Wäsche“ zu gehen — und angeknabberte Panzer möchte Hendrik Pempelfort ungern sehen.
Knapp 40 Tiere aus der Gruppe der Sauropsida, zu denen auch Vögel und Reptilien zählen, leben bei dem 24-Jährigen unterm Dach, verteilt auf 13 Glasbecken sowie diverse Kunststoffschalen. Um noch mehr unterzubringen, müssten wohl Möbel aussortiert werden, doch so etwas ist derzeit nicht geplant.
Die Haltung und Zucht erfordert Fingerspitzengefühl: Pempelfort besitzt verschiedene Arten, die aus unterschiedlichen klimatischen Regionen stammen. Seine Tabasco-Klappschildkröten sind ursprünglich im mexikanischen Raum beheimatet und bleiben das ganze Jahr über aktiv. Dagegen halten nordamerikanische Arten wie die Moschusschildkröte eine Winterruhe. „Die kommen zwei bis drei Monate in den Kühlschrank“, berichtet der Züchter.
Damit die Tiere sich dabei nicht erkälten, müssen sie allerdings ganz vorsichtig an sinkende Temperaturen und längere Dunkelphasen gewöhnt werden. Besagte Halogen-Metalldampflampen simulieren dann ab Spätsommer in immer kürzer werdenden Brenndauern den natürlichen Tagesablauf.
Wichtig ist auch die richtige Temperatur im Brutschrank: Diese liegt zwischen 25 und 30 Grad, je nachdem, welches Geschlecht der Züchter erzielen möchte: Bei 25 Grad schlüpfen eher Männchen, bei 29 eher Weibchen.
„Meine Lieblingsart ist die Tabasco-Klappschildkröte“, berichtet Hendrik Pempelfort. Es sei „wahnsinnig spannend“, die Tiere mit ihren schönen Köpfen zum Beispiel bei der Jagd auf Mückenlarven zu beobachten.
Der Student hat bei seinem Hobby einen wissenschaftlichen Anspruch, sogar Publikationen zu Schildkröten hat er schon veröffentlicht. Das große Geld durch den Verkauf der selbst gezüchteten Schildkröten will er nicht verdienen: „Es wäre schon gut, wenn ich dadurch die Fixkosten decken könnte.“
Wie reagieren seine Freunde und Verwandte auf das ungewöhnliche Hobby? „Meine Schwester findet es toll, und meine Mutter habe ich mittlerweile auch knacken können. Und die Babys finden alle süß.“